Ringen um die richtige Schreibweise
1. August 2005Die Ministerpräsidenten von Bayern und Nordrhein-Westfalen haben die Reform zur Chefsache erklärt und die Einführung der neuen Rechtschreibung in ihren Bundesländern auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Und diejenigen, die es betrifft - die stehen so ziemlich alleine da mit all den Änderungen, die teilweise noch einmal und wieder oder eben doch und vielleicht auch nicht geändert werden müssen.
Das Gezerre um die richtige Schreibweise begann schon 1987. Die Kultusministerkonferenz und das Bundesinnenministerium erteilten dem Institut für deutsche Sprache den Auftrag, ein neues Regelwerk zu entwickeln. Ein erster Entwurf von 1988 rief einen Sturm der Entrüstung empor. Erst am 1. Dezember 1995 stimmten die Kultusminister einer mehrfach überarbeiteten Fassung zu. Ein halbes Jahr später unterzeichneten die Vertreter der deutschsprachigen Staaten in Wien eine Absichtserklärung zur grenzübergreifenden Rechtschreibreform.
Verfassungsbeschwerden und Volksentscheid
Die neuen Regeln sollten ab 1. August 1998 in Schulen und Behörden gelten. Bis August 2005 sollte die alte Schreibweise noch geduldet werden, so der Beschluss. Auch zwei Verfassungsbeschwerden konnten die Reform nicht stoppen. Dafür ein Volksentscheid in Schleswig-Holstein. Am 27. September 1998 votierten die Bürger des Nordstaates dafür, die Rechtschreibreform an den Schulen des Landes zu kippen.
Doch die Freude der Gegner währte nicht lange: Der Landtag beschloss wenige Tage später einstimmig, die neuen Regeln der Rechtschreibung einzuführen. Ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regeln versandten auch die Nachrichtenagenturen ihre Neuigkeiten in der neuen Schreibung. Auch die meisten Zeitungen stellten um. Aber nur ein Jahr später, am 1. August 2000, druckte die "Frankfurter Allgemeine" ihre Zeitung wieder mit den alten Regeln. Am 6. August 2004 kehrten auch der Axel-Springer-Verlag, der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" überraschend zur bewährten Schreibweise zurück.
Lehren ja, aber nicht zensieren
Doch damit nicht genug: Als eine der ersten Amtshandlungen des neuen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers kündigte dieser im Juni 2005 an, die Übergangsfrist der alten Regeln zusammen mit Bayern um ein Jahr zu verlängern. In diesen Ländern werden die neuen Regeln zwar weiter in den Schulen gelehrt, nur nicht bei der Zensierung berücksichtigt.
Am 1. Juli beschloss der Rat für deutsche Rechtschreibung übrigens neue Regeln bei der Zusammenschreibung: So sollen Partizip-Verbindungen wie "ratsuchend" und "alleinerziehend" künftig wieder zusammengeschrieben werden. Diese Regelung, so der Rat, sei unmissverständlicher und am Sprachgebrauch orientiert.