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Ein Ort des Wissens

28. Mai 2009

Seit Jahrtausenden wird das Wissen der Menschheit in Büchern aufgeschrieben und in Bibliotheken gesammelt. Doch in Zeiten, in denen das Wissen der Welt per Mausklick abrufbar ist, braucht man die Büchereien eigentlich ga

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Eine graue Bibliothek (Foto: Bastian Hartig)
Dieser graue Bau soll durch eine moderne Bibliothek ersetzt werdenBild: DW

Die Tage der städtischen Bücherei von Birmingham sind endgültig gezählt. Der große graue Betonklotz im Zentrum der alten Industriestadt wird abgerissen. Endlich, findet Meg Lavender. "Es ist heiß, es ist stickig und die Leute hier sehen erbärmlich aus. Es muss wirklich ein erbaulicherer Ort werden."

Bibliotheken werden weiterhin gebraucht

Bücher stehen in einem Regal (Foto: Bastian Hartig)
Wissen lagert in Büchern - aber nicht nurBild: DW

Niedrige Decken, verwinkelte Räume, unübersichtliche Regale: Zum genüsslichen Schmökern laden die unübersichtlichen Bücherwände nicht ein. Deshalb haben Briminghams Stadtväter beschlossen: Die Bücherei muss weg. Direkt nebenan soll eine neue Bibliothek entstehen. 193 Millionen Pfund, umgerechnet rund 220 Millionen Euro, haben die Stadt Birmingham und der britische Staat dafür auf den Tisch gelegt.

Die Pläne zeigen eine Licht durchflutete Konstruktion aus Stahl und Glas - ein moderner Prachtbau für eine Institution, die in Zeiten von Google und Amazon doch eigentlich eher anachronistisch wirkt. Brian Gambles, Chef der Birminghamer Stadt-Bibliotheken, sieht das natürlich ganz anders. "Man könnte genauso gut sagen, das Pub in England wäre überholt, weil man Bier auch im Supermarkt kaufen kann, oder Kaffeehäuser seien altmodisch, weil es Kaffee auch woanders gibt. Es geht um ein Erlebnis, das einen persönlich bereichert und an dem man dadurch wachsen kann, dass man mit den spannendsten Ideen konfrontiert wird, die diese Gesellschaft zu bieten hat", erklärt er.

Ein Ort des Austauschs

Computeranimation zu einer neuen Bibliothek (Grafik: mecanoo lob design team)
Die Bibliothek der Zukunft soll eine lebendige Begegnungsstätte seinBild: mecanoo lob design team

4500 Menschen kommen täglich in der Birmingham Public Library. In vier Jahren, wenn die neue Bücherei ihre Türen öffnet, sollen es mehr als doppelt so viele sein, hofft Bibliothekschef Brian Gambles. Damit wäre Birmingham die meistbesuchte Stadtbücherei in ganz Großbritannien. Gambles sieht die Büchereien keineswegs als Auslaufmodell, aber ihr Fokus müsse sich ändern: "Die Essenz der Bücherei ist Wissen, aber das wohnt ja nicht nur der Bücherei inne, sondern den Menschen. Ich will der Bücherei deren Erfahrung, deren Fähigkeiten und deren Wissen einverleiben, so dass wir es weiterverbreiten können. Die Menschen mit Ideen zusammenzubringen, das ist für mich das spannendste, was wir tun können - und die wahre Rolle der Bücherei im 21. Jahrhundert."

Gambles ist nicht allein mit seiner Vision. Über England schwappt derzeit eine wahre Welle von Superbibliotheken: In Cardiff, Newcastle, Liverpool und Manchester entstehen entweder neue, teure Büchereigebäude oder die vorhandenen werden aufwändig renoviert. Gambles sieht die Bücherei der Zukunft bereits vor sich: Über interaktive Videowände sollen sich beispielsweise Besucher mit ähnlichen Interessen finden. Die User sollen sehen, wer sich mit demselben Thema beschäftigt wie sie selbst. Außerdem sollen Minivorlesungen Denkanstöße geben. Ob Webdesign oder alternative Medizin, das Themenspektrum soll dabei so vielfältig sein, wie die Neigungen der Bibliotheksbesucher. Die sollen sich untereinander über ihre Interessen austuschen. Aus dem stillen Bücherbunker wird so eine lebendige Begegnungsstätte.

Mit Modernität für mehr Leser

Bauschild (Foto: Bastian Hartig)
Die neue Bücherei soll 2013 eröffnet werdenBild: DW

Aber nicht alle sehen in dem neuen Konzept einen Segen. Seit 22 Jahren steht Pam Gaffney am Ausleihschalter der Prosaabteilung der Birminghamer Stadtbücherei. Seit einigen Wochen sieht sie zu, wie sich die Kunden ihre Bücher an den neuen self-check-out-terminals selbst ausleihen, statt es bei ihr am Schalter zu tun. Mehr Veränderung müsse nicht sein, meint Pam. "Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir können. Ich will den Leuten helfen, an Informationen zu kommen und eine freundliche und neutrale Atmosphäre schaffen. Das ist es doch, was die Leute von der Bücherei erwarten", sagt sie.

Freundlichkeit und Wärme - gerade in harten Krisenzeiten scheint das den Briten besonders gut zu tun. Jedenfalls gehen sie seit Ausbruch der Rezession wieder öfter in die Bücherei: Zehn bis 15 Prozent mehr Besucher haben die Bibliotheken landesweit seit dem vergangenen Sommer verzeichnet. Ob die neuen High-Tech-Bibliotheken diesen Trend aufrechterhalten können, wenn die Krise erst einmal vorbei ist, kann einem auch die hilfsbereiteste Bibliothekarin nicht sagen.



Autor: Bastian Hartig
Redaktion: Julia Kuckelkorn