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Regierungen in Rechtfertigungsnot

14. Juni 2004

Die SPD erlitt bei den Wahlen zum Europäischen Parlament eine historische Niederlage. Sie steht vor der Frage: Weitermachen wie bisher oder die eigene Politik umkrempeln? Auch in anderen EU-Ländern wird Bilanz gezogen.

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Bild: AP

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Fortsetzung seiner Reformpolitik auch nach der schweren Niederlage seiner Partei (SPD) bei der Europawahl angekündigt. Zur weiteren Umsetzung der Sozialreform "Agenda 2010" gebe es auch jetzt keine Alternative, sagte er am Montag (14.6.04) in Berlin. "Ich kann nur diese Politik weiterführen und ich will nur diese Politik weiterführen." Die Niederlage der SPD bei den Wahlen tue ihm weh. Es sei bedauerlich, dass es noch keine ausreichende Zustimmung für die Reformen gebe. Er verwies aber darauf, dass bei der Europawahl vom Sonntag fast überall die Regierungsparteien auf dem Kontinent schlecht abgeschnitten hätten.

Die Bundesregierung wird nach Ansicht des Außenministers und Grünen-Vorsitzenden Joschka Fischer durch das schlechte Abschneiden der SPD nicht beeinträchtigt. "Wir haben ein Mandat bis 2006", sagte Fischer. Das Ergebnis für den Koalitionspartner sei schwierig, "aber schwächen wird das die Bundesregierung nicht", sagte Fischer.

EU besser "verkaufen"

Zahlreiche EU-Minister warben angesichts der europaweit geringen Wahlbeteiligung dafür, die EU den Bürgern noch besser darzustellen. Der niederländische Außenminister Ben Bot sagte, alle EU-Regierungen müssten die europäische Politik besser "verkaufen". Sein litauischer Kollege Antanas Valionis vermutete, in den neuen EU-Staaten hätten viele Menschen noch nicht verstanden, was die Union über die finanziellen Dinge hinaus bedeutet. Die estnische Außenministerin Kristiina Ojuland sagte, das Europäische Parlament sei noch sehr weit entfernt von den Menschen. Die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner rief auch die Medien dazu auf, mehr über europäische Themen zu berichten.

Trotz des Debakels seiner Labour-Partei bei den Wahlen in Großbritannien will Premierminister Tony Blair an seiner Politik festhalten. Das sei nun eine Frage der Nervenstärke, sagte Blair. Die Arbeit müsse zu Ende geführt, zugleich müsse aber auch realisiert werden, dass "Irak eine ungeheuer schwierige Entscheidung war". Der britische Finanzminister Gordon Brown gab sich zuversichtlich. "Labour wird die Parlamentswahlen mit Tony Blair Gewinnen", sagte er mit Blick auf den Urnengang im kommenden Jahr.

"Geschwächt in die EU"

Jean-Pierre Raffarin
Der französische Ministerpräsident Jean-Pierre RaffarinBild: AP

In Frankreich hat die Opposition nach ihrem Triumph bei der Europawahl von der Mitte-Rechts-Regierung einen Politikwechsel sowie die Entlassung von Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin gefordert. "Diese farblose Regierung hat keine Legitimität mehr und der gesunde Menschenverstand sollte Herrn Raffarin und seine Mannschaft dazu bringen, zurückzutreten", sagte der Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault, in einem Hörfunkinterview. Präsident Jacques Chirac und Raffarin kommentierten den Wahlausgang indes nicht.

Durch die Rekord-Enthaltung von 80 Prozent der Wahlberechtigten bei der Europawahl in Polen wurde nach Ansicht von Präsident Aleksander Kwasniewski die Stellung seines Landes in der EU demontiert. "Wir treten schwach in die Europäische Union ein", sagte Kwasniewski im polnischen Radio. Das Argument des geringen Interesses der Polen an der Europawahl werde gegen das Land benutzt werden, "vielleicht nicht offen, aber hinter den Kulissen", zeigte sich Kwasniewski überzeugt. "Wir werden sarkastische Kommentare hören, dass wir zuerst vor unserer eigenen Tür kehren sollen, bevor wir kontroverse Vorschläge machen." (ert)