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Politik

Stefan Dege14. Oktober 2003

Hartz, Herzog oder Rürup, Kopfprämie oder Bürgerversicherung? Immer geht es um den Umbau des Sozialstaates. Am Freitag (17.10.) stimmt der Bundestag über die rot-grünen Reformpläne ab. Ein Überblick der Konzepte.

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Auch die Reform von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt steht zur DiskussionBild: AP

Am Freitag (17.10.2003) kommt es im Bundestag zum Schwur über "Hartz III und Hartz IV": Auch das "dritte und vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen" setzt Vorschläge des VW-Managers Peter Hartz zur Reform des Arbeitsmarktes um. Aktuell steht der Umbau der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit an. Schlanker organisiert soll sie Arbeitslose künftig effizienter vermitteln, außerdem auch arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger, was bisher noch die Kommunen erledigen. Die Opposition ist dagegen. "Hartz IV" soll das neue "Arbeitslosengeld II" einführen, das nach den Vorstellungen von Rot-Grün niedriger ausfällt als die alte Arbeitslosenhilfe und für erwerbsfähige Langzeitarbeitslose wie Sozialhilfeempfänger gleichermaßen gedacht ist. Da muss der Bundesrat zustimmen, wo jedoch die Unionsparteien dominieren. Ein willkommenes Druckmittel also, um auf beide Hartz-Pakete noch Einfluss zu nehmen.

Vorgezogene Steuerreform

Ebenfalls auf der Agenda des Bundestags: Rot-Grün will die für 2005 geplante Steuerreformstufe um ein Jahr vorziehen, um so die lahmende Wirtschaft zu beleben. Das entlastet die Steuerzahler. Zugleich sollen jedoch steuerliche Vergünstigungen etwa für Berufspendler und Häuslebauer kleiner werden oder ganz wegfallen. Und auch der Bundeszuschuss in die Rentenkasse soll deutlich sinken. Weil die Länderkammer zustimmen muss, rückt eine parteiübergreifende Initiative der Ministerpräsidenten Hessens und Nordrhein-Westfalens, Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) ins Blickfeld. Sie schlagen den Abbau von Subventionen und Steuererleichterungen vor. Ersparnis für die Staatskasse: Mehrere Milliarden Euro.

Gemeindefinanzen

Löchrige Straßen, geschlossene Hallenbäder und Büchereien allerorten - um die maroden Gemeindefinanzen zu sanieren, will Rot-Grün die Geldflüsse neu regeln, weniger Gewerbesteuer sollen die Kommunen an Bund und Länder abführen müssen. Auch will die Bundesregierung künftig Freiberufler gewerbesteuerpflichtig machen. Auch dagegen kann und will die Union im Bundesrat Opposition machen.

Gesundheitsreform

Der Reform-Herbst hat längst begonnen. Die Arbeitsmarkt-Gesetze "Hartz I" und "Hartz II" sind bereits in Kraft. Und auch auf einer anderen Großbaustelle konnten die Reformer schon mal Richtfest feiern: Das Gesundheitswesen wird umgebaut. Ein gemeinsamer Sparbeschluss von Regierung und Union beschert den gesetzlich Versicherten - sofern die Länderkammer im November 2003 zustimmt - höhere Zuzahlungen beim Arzt, im Krankenhaus und in der Apotheke. Risiken für Zahnersatz, Zahnbehandlung und Krankengeld müssen die Menschen in absehbarer Zeit gesondert versichern.

Bürgerversicherung

Noch ist das Gesundheitsreformgesetz nicht in Kraft, da denken die Parteien schon über weitergehende Neuerungen nach: Teile der SPD, der Grünen und der Gewerkschaften liebäugeln mit einer so genannten "Bürgerversicherung", einer gesetzlichen Einheitskrankenversicherung für alle Einkommensbezieher, also auch für Beamte und Selbstständige. Für Zins- und Mieteinkünfte wären ebenfalls Beiträge zu zahlen. Stichwortgeber für die Bürgerversicherung war der Sozialexperte Bert Rürup, der die nach ihm benannte Reformkommission leitete.

Kopfpauschale im Gesundheitswesen

Nicht weniger populär, vor allem bei CDU, FDP und in den Reihen der Arbeitgeber ist die so genannte "Kopfpauschale". Nach diesem - vom ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog propagierten - Modell zahlt jeder Versicherte die gleiche Prämie, unabhängig davon, wie viel er verdient. Der soziale Ausgleich wäre allein Sache des Staates.

Reformparteitage

Ob Rürup oder Herzog, Kopfpauschale, Bürgerversicherung oder Hartz - parallel zum parlamentarischen Verfahren bestimmen die politischen Parteien derzeit ihren jeweiligen Reformkurs intern ab. Die SPD hat mit ihrer "Agenda 2010" den Anfang gemacht. Die CDU debattiert über Neuerungen derzeit in Regionalkonferenzen, bevor sie sich Ende November 2003 auf einem Parteitag in Leipzig als Reformpartei positionieren will. Die Sozialdemokraten haben ihre Delegierten bereits für Mitte November zum Reformparteitag nach Bochum eingeladen.