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Recep Tayyip Erdogan: Neues türkisches Strafrecht "nicht leichthin aus der Ferne beurteilen"

Türkischer Ministerpräsident im Interview mit DW-TV

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"Es gibt 25 EU-Mitgliedsländer, die nicht alle die Kopenhagener Kriterien erfüllen. Trotzdem sind sie in der Europäischen Union." Deshalb sollte man in der Diskussion, ob im neuen türkischen Strafrecht Ehebruch als strafbar zu gelten habe oder nicht, "endlich einen Schlusspunkt setzen". Das sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in einem Interview mit DW-TV. Erdogan wird am Donnerstag (23.9.) zu einem Besuch des Europaparlaments in Brüssel erwartet. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen habe ihm zu verstehen gegeben, "dass das Thema Strafbarkeit des Ehebruchs mit dem Fortschrittsbericht der Kommission nichts zu tun habe, aber die Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen beeinflussen könnte".

Das neue türkische Strafrecht, so Erdogan auf DW-TV weiter, bestehe aus 346 Paragraphen. "Das kann man nicht so leichthin aus der Ferne beurteilen." Man solle deshalb die Diskussion nicht allein auf das Thema Ehebruch beschränken. Erdogan: "Die Reform unseres Strafgesetzes ist ein Schritt, den wir aus eigenem Antrieb unternehmen. Ich bin überzeugt, dass unsere europäischen Freunde dies auch anerkennen werden. Er sei sich aber im Klaren, dass es bei der Umsetzung von Gesetzen in seinem Land noch Mängel gebe. "Das wissen wir auch. Dafür ist ein Mentalitätswandel erforderlich. Wir sind bestrebt, diesen Prozess so schnell wie möglich weiter zu führen", so Erdogan im deutschen Auslandsfernsehen.

Zu den Ausführungen der CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel, die sich gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ausgesprochen hatte, sagte Erdogan: "Es fällt mir schwer, Frau Merkel zu verstehen. In der EU ist eine privilegierte Partnerschaft nicht denkbar. Wer die Kopenhagener Kriterien erfüllt, kann mit Beitrittsverhandlungen beginnen. Die Erfüllung dieser Kriterien treiben wir im Interesse unseres eigenen Volkes voran." Hier sollte mit einer "fairen Entscheidung der Prozess der Verhandlungen in Gang gesetzt werden". Im negativen Fall kündigte Erdogan "Schlussfolgerungen und die notwendigen Schritte an". Er rechne aber nicht mit einer negativen Entscheidung.

Angesichts der Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen, die der Türkei jüngst systematische Folterungen vorgeworfen hatten, erklärte der Regierungschef: "Wir vertreten das Null-Toleranz-Prinzip bei der Folter. Systematische Folter ist in einem demokratischen System undenkbar." Entsprechende Vorwürfe seien unberechtigt und entbehrten jeglicher Grundlage.

20. September 2004
187/04