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Putins Bann trifft US-NGO

Jan D. Walter29. Juli 2015

Das Verbot einer US-amerikanischen NGO in Russland hatte sich abgezeichnet. Seit Jahren geht der Kreml gegen zivile Organisationen vor. Trotz guter Zustimmungswerte bleibt der Machtzirkel um Putin offenbar nervös.

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Putin Rede FSB 07.04.2014 Moskau
Bild: Reuters/Mikhail Klimetyev/RIA Novosti

Russlands Zivilgesellschaft ist um eine Nicht-Regierungsorganisation (NGO) ärmer. In dieser Woche hat die russische Generalstaatsanwaltschaft die US-amerikanische National Endowment for Democracy (NED) verboten.

Die NED ist damit die erste von zwölf ausländischen NGOs, die der Föderationsrat - das russische Oberhaus - auf eine Schwarze Liste gesetzt hatte. Die Veröffentlichung der "patriotischen Stoppliste" durch die russische Staatsanwaltschaft vor drei Wochen hatte Protest unter den gelisteten NGOs hervorgerufen. Die rechtliche Grundlage für den Rauswurf der NED bildet das Gesetz über "unerwünschte" Organisationen, das Ende Mai in Kraft getreten ist.

"Dieses Gesetz ist das neueste in einer Serie hoch restriktiver Gesetze, die die Freiheit der russischen Bürger einschränken", erklärte die betroffene US-NGO als Reaktion auf das Verbot vom Dienstag.

Systematisches Vorgehen gegen Opposition

Stefan Meister, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sieht eine klare Systematik hinter dem Vorgehen der russischen Regierung: "Zunächst ging es um russische NGOs, die aus dem westlichen Ausland finanziert werden. Nun sind die ausländischen NGOs selbst an der Reihe."

Kurz nachdem Putin 2012, nach vier Jahren als Ministerpräsident, das Amt des Staatspräsidenten wieder von seinem Platzhalter Dimitri Medwedew übernommen hatte, begann er, den Druck auf Oppositionelle, Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen zu erhöhen: Per Gesetz müssen sich seither Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, als "ausländische Agenten" anmelden. Neben der Brandmarkung als "Spione" - eine andere Interpretation lässt der russische Ausdruck kaum zu - unterliegen die Organisationen verstärkten Kontrollen durch die Behörden. Mehrere Organisationen haben daraufhin ihre Arbeit eingestellt.

Seit Ende Mai 2015 kann der Generalstaatsanwalt nun eine Organisation, die vom Föderationsrat als "unerwünscht" eingestuft wurde, ohne weitere Verfahren verbieten. Das ist nun der NED widerfahren. Und auch über den anderen elf gelisteten NGOs schwebt das Gesetz wie ein Damokles-Schwert.

Aufgeweichte Freiheits-Paragrafen

Die russische Führung sieht in alledem kein Problem: "Das Verbot einer oder mehrerer Organisationen bedeutet für die Bürger keine Begrenzung des Zugangs zu demokratischen Werten", sagte Kremlsprecher Dimitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge. Vielmehr seien es auslandsfinanzierte Organisationen, die eine Bedrohung für die verfassungsgemäße Ordnung und die Sicherheit in der Russischen Föderation darstellten.

Aus Sicht der NGOs stört dagegen das fragliche Gesetz Russlands demokratische Ordnung: "Dieses Gesetz widerspricht, wie seine Vorgänger, Russlands eigener Verfassung sowie zahlreichen internationalen Gesetzen und Abkommen", heißt es in der NED-Erklärung vom Dienstag.

Dr. Stefan Meister (Foto: ECFR)
Russland-Experte Stefan Meister spricht von "Paranoia" im KremlBild: ECFR

Gedanken- und Wortfreiheit sind in Artikel 29 der russischen Verfassung verankert, die Zensur ist demnach verboten. Unzulässig sind aber auch "Propaganda und Agitation, die zu sozialem, rassenbedingtem, nationalem oder religiösem Haß und Feindschaft aufstacheln." Das klingt nach viel Interpretationsspielraum.

"Die Verfassung ist schon unter Jelzin mit vielen Defiziten verabschiedet worden. Unter Putin sind viele Artikel geändert und dadurch noch unschärfer worden", bestätigt DGAP-Experte Meister. Auch offensichtliche Verstöße gegen demokratische Prinzipien - wie etwa die Meinungsfreiheit - seien dadurch rechtlich kaum angreifbar.

Nervosität vor Regionalwahlen

Als Grund für das restriktive Vorgehen gegen politische Organisationen sieht Meister eine wachsende Unsicherheit in der russischen Führung. Seit 2012 habe Putin in seinem Umfeld immer mehr Wirtschaftsliberale durch Sicherheitsexperten ausgetauscht. Entsprechend bewerteten die Eliten die gesamte Politik unter dem Sicherheitsaspekt.

Die tiefe Wirtschaftskrise - ausgelöst durch die nicht überwundene Rohstoffabhängigkeit und verstärkt durch die Wirtschaftssanktionen des Westens - steigere die Besorgnis vor einem Stimmungsumschwung in der russischen Bevölkerung zu Ungunsten der Regierung.

Symbolbild Partei Einiges Russland (Foto: Getty Images/AFP/D. Serebryakov)
Pro-Kreml Aktivisten demonstrieren in Moskau für PutinBild: Getty Images/AFP/D. Serebryakov

Tatsächlich stand Putin zeitweise in der Kritik. Nach der Annexion der Krim, dem Ausbruch des Ukrainekonflikts und anti-westlicher Begleitrhetorik ist davon aber wenig geblieben. Derzeit genießt der Kreml-Chef Zustimmungswerte von mehr als 80 Prozent. "Trotzdem herrscht im Kreml eine regelrechte Paranoia, dass diese Institutionen auch in Russland Farbrevolutionen - wie auf dem Kiewer Maidan - organisieren könnten", sagt Meister.

Dass das erste NGO-Verbot gerade zu diesem Zeitpunkt ergeht, bringt der Russland-Experte mit den Parlaments- und Gouverneurswahlen in zahlreichen Verwaltungseinheiten der Russischen Föderation am 13. September in Verbindung. "Die Elite will mit allen Mitteln an der Macht bleiben", so der DGAP-Experte, "und dabei will man offenbar nichts anbrennen lassen".