1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neuwahlen in Moldawien

29. Juli 2009

Nach achtjähriger kommunistischer Herrschaft ist Moldawien das ärmste Land Europas. Der monatliche Durchschnittsverdienst liegt umgerechnet bei 245 Euro. Viele der 4,3 Millionen Einwohner leben von der Landwirtschaft.

https://p.dw.com/p/IzX9
Ein Mann geht an Wahlplakten in der Hauptstadt Moldawiens Chisinau vorbei (Foto: AP)
Weil die Politiker keinen Konsens finden, müssen die Moldauer erneut wählenBild: AP

Das Land wird seit acht Jahren von der Partei der Kommunisten und ihrem Chef, dem Staatspräsidenten Wladimir Woronin, autoritär geführt. Außenpolitisch laviert Woronin zwischen Europa und einem pro-russischen Kurs.

Ein Regime der Gewalt?

Chef der Kommunistischen Partei in Moldawien: Wladimir Woronin (Foto: dpa)
Chef der Kommunistischen Partei in Moldawien: Wladimir WoroninBild: dpa

Die liberale Opposition, die einen konsequenten Europa-Kurs verfolgt, wirft ihm Amtsmissbrauch vor und beschuldigt ihn, Justiz, Medien und die gesamte Wirtschaft zu kontrollieren. Der Chef der Liberal-Demokratischen Partei, Wladimir Filat, sagt: "Die Partei der Kommunisten, die seit acht Jahren an der Macht ist, hat sich die demokratischen Institutionen untergeordnet - im Interesse des eigenen Regimes."

Die Beamten im öffentlichen Dienst seien in die peinliche Lage versetzt worden, nur noch aus Angst zu agieren. Die gegenwärtige Regierung habe viele Opfer auf ihrem Gewissen: Bürger seien erniedrigt worden, enteignet, gequält und sogar getötet. Die Stimme gegen das Woronin-Regime sei eine bürgerliche Pflicht aller, die gegen Gesetzlosigkeit, Gewalt und Hass seien.

Proteste wegen des Wahlergebnisses

Gewaltsame Proteste nach der Parlamentswahl im April in Moldawien (Foto: picture alliance/ dpa)
Gewaltsame Proteste nach der ersten Parlamentswahl im AprilBild: picture-alliance/ dpa

Am Tag nach den Parlamentswahlen (06.07.2009) waren mehr als 10.000 überwiegend junge Moldawier auf die Straße gegangen, um gegen Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen und gegen das Wahlergebnis zu protestieren. Auf den Wählerlisten waren über Nacht rund 600.000 verstorbene Wähler aufgetaucht, die ihre Stimmen abgegeben haben sollen. Per Internet und SMS riefen die Jugendlichen die Bürger zu friedlichen Demonstrationen gegen diese Missstände auf. Treffpunkt war das Zentrum der Hauptstadt Chisinau.

Die Proteste gerieten am 07.04.2009 außer Kontrolle: Der Amtssitz des Präsidenten und das Parlamentsgebäude wurden gestürmt. Die Polizei leistete anfangs keinen Widerstand, die Maßnahmen der Behörden zum Schutz der staatlichen Institutionen waren unzureichend. Präsident Woronin beschuldigte die Opposition, die Unruhen angestiftet zu haben: "Wer hat die Jugend auf den Platz geholt? Wer hat die Wahl des Präsidenten Moldawiens scheitern lassen? Wer hat dadurch die politische und wirtschaftliche Lage im Land destabilisiert? Auf diese und andere Fragen gibt es nur eine Antwort: Das alles geschah durch die Hand unserer liberalen Opposition."

Gewalt gegen Demonstranten

In der Nacht vom 7. zum 8. April wurden Hunderte Jugendliche von Polizisten durch die Straßen gejagt, festgenommen und geschlagen. Die Opposition spricht von vier Todesopfern aus den Reihen der jungen Demonstranten, Mädchen wurden von Polizisten vergewaltigt, Jugendliche wurden gequält und gefoltert. Die kommunistischen Machthaber bezichtigten die Opposition des versuchten Staatsstreichs, Präsident Woronin beschuldigte das Nachbarland Rumänien, Drahtzieher der Unruhen zu sein.

Infolgedessen wurde die Visumspflicht für rumänische Staatsbürger eingeführt und der rumänische Botschafter in Moldawien des Landes verwiesen. Diese Vorwürfe konnten allerdings nicht belegt werden. Der EU-Vertreter in Chisinau, Kalman Mizsei, erklärte, Rumänien sei keineswegs in die Ereignisse vom April verwickelt gewesen.

Auf der anderen Seite stehen Vorwürfe seitens der Opposition, die Regierung habe den so genannten Staatsstreich selbst inszeniert, um dadurch vom Wahlbetrug abzulenken. Unter diesen Voraussetzungen war die Wahl des neuen Staatspräsidenten zum Scheitern vorbestimmt.

Opposition verweigert sich – Neuwahlen beschlossen

Karte mit Moldawien, Rumänien, Ukraine (Foto: AP/DW)
Bild: AP Graphics/DW

Die drei Oppositionsparteien im Parlament – die Liberale Partei, die Liberal-Demokratische Partei und die Allianz "Moldova Noastra" (Unsere Moldau) – haben dem kommunistischen Präsidentschaftskandidaten ihre Stimmen verweigert und dadurch den Weg für Neuwahlen frei gemacht.

Der Chef der Allianz "Moldova Noastra", Serafim Urecheanu, sprach in einer Pressekonferenz über die Versuche der Kommunisten, die fehlende so genannte goldene 61. Stimme zu kaufen, die für die Wahl nötig gewesen wäre. "Einem wurde eine Wohnung mit vier Zimmern versprochen, einem anderen Geld in Millionenhöhe oder sogar das Amt des Vize-Premiers. Es kann nicht alles erkauft werden in diesem Land. Es ist nicht alles faul in diesem Land", so Urecheanu.

Nach der Neuwahl Wiederwahl?

Nach der gescheiterten Präsidentenwahl war der amtierende Staatschef Woronin gezwungen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Marian Lupu, einer der führenden Kommunisten und ehemaliger Parlamentspräsident (2005 bis 2009), verließ die Partei und übernahm die Führung der Demokratischen Partei. Woronin musste heftige Kritik von seinem früheren Weggefährten einstecken, dem große Chancen eingeräumt werden, mit seiner Partei ins Parlament einzuziehen. Vor allem sozialdemokratische Wähler sehen in ihm einen Hoffnungsträger.

Laut Umfragen liegen Kommunisten und Opposition in der Gunst der Wähler gleich auf und liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Für die spätere Wahl des Präsidenten durch das neue Parlament sind aber 61 von 101 Stimmen nötig - wer mit wem eine Koalition eingehen könnte, bleibt spannend. Denn im Falle einer gescheiterten Präsidentenwahl wären neue vorgezogene Parlamentswahlen unumgänglich.

Autor: Robert Schwartz
Redaktion: Nicole Scherschun