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"Persönliches Verhältnis ist Glücksfall"

Stephanie Höppner10. Februar 2013

Kann Johanna Wanka nach Schavans Rücktritt die Lücke in Merkels Kabinett füllen? Die Frage versucht Werner Patzelt, Professor für Politikwissenschaften an der TU Dresden, im Gespräch mit der DW zu beantworten.

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[Werner Patzelt Politikwissenschafter TU Dresden ARCHIVBILD Foto: privat/lsn
Werner Patzelt ist Politikwissenschafter an der TU DresdenBild: picture alliance/ZB

Deutsche Welle: Der Rücktritt von Annette Schavan scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel hart getroffen zu haben. Wie kann man das Verhältnis von Merkel zu Schavan beschreiben?

Werner Patzelt: Die beiden Frauen verstehen sich seit Mitte der 90er Jahre persönlich sehr gut. Sie haben schon zu der Zeit, als es den Versuch von Helmut Kohl gegen Schäuble vorzugehen gab, gut zusammen gewirkt. Und sie haben sich in der Bundesregierung auch wechselseitig gut unterstützt. Noch nie hatte eine Bundesbildungsministerin einen so ausgedehnten Etat wie die jetzt Zurückgetretene. Und Ministerin Schavan hat in der Bundesregierung auch nie Ärger gemacht und effizient ihre Sachen erledigt.

Was noch hinzu kommt, ist, dass sich die Politikauffassungen von Frau Schavan und der Kanzlerin doch sehr ähnlich sind. Es geht nicht darum, wie ein Alphatier sich zur Schau zu stellen und aufzuplustern - sondern es geht darum, Entscheidungen, die notwendig sind, zu treffen und Probleme sachlich anzugehen. Das hat die beiden Frauen sehr verbunden. Hinzu kommt, dass die Kanzlerin der Meinung ist, dass dieser erzwungene Rücktritt außerhalb jeder vernünftigen Proportion ist, aber sich leider politisch nicht vermeiden ließ.

Inwieweit hat sich dieses Verhältnis von Merkels Beziehung zu anderen Frauen im Kabinett unterschieden, etwa zu Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen?

FDP-Politikerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger widerspricht traditionell vielem, wenn nicht allem, was der von der CDU oder von der CSU gestellte Innenminister will. Das ist ein institutionalisiertes Verhältnis zwischen Konkurrenten auf einem wichtigen Politikfeld. Und was Frau von der Leyen betrifft ist immer allzu sichtbar gewesen, dass sie nach Höherem strebt als nach dem Amt einer Bundesministerin. Wenn sie schon nicht Bundeskanzlerin werden kann, will sie Bundespräsidentin werden. Nachdem der Job wieder einmal vergeben ist, ist sie eine der Rivalinnen der Kanzlerin. Da kann das Verhältnis natürlich nicht so sein, wie im Falle von Frau Schavan, wo nie in Frage stand, dass diese das Amt der Kanzlerin anstrebt.

Wie würden sie Frau Wanka charakterisieren?

Frau Wanka ist eine erfahrene Politikerin, die im Bereich der Bildungspolitik eine ähnlich lange Bewährung in der Praxis hinter sich hat wie die zurückgetretene Bundesbildungsministerin. Obendrein hat sie noch den Vorzug, Universitäten auch von innen heraus zu kennen, so dass die Kanzlerin mit der Wahl von Frau Wanka eine wirklich gute Entscheidung getroffen hat.

Kann Wanka wirklich ein Ersatz für Schavan sein?

Im Grunde genommen kann in der Politik - von wenigen Ausnahmen abgesehen - jeder gute Politiker ein Ersatz für einen anderen Politiker sein. Frau Wanka hat sicherlich nicht so viel Vorlauf. Der Bundestagswahlkampf hat jetzt angefangen. Sie kann sich nicht auf eine lange Amtszeit einstellen. Das verändert das Verhältnis zu den Mitarbeitern. Das heißt, sie geht schon einen schweren Gang, aber unter allen, die den schweren Gang gehen könnten, ist sie die Beste.

Zurück auf die persönliche Ebene. Glauben Sie, dass Wanka Ersatz für Schavan sein kann?

Es ist sehr selten, dass man in Spitzenpositionen zusätzlich zu einem professionellen  Verhältnis auch ein Verhältnis echter persönlicher Freundschaft aufbauen kann. Und wenn bislang zwischen Frau Merkel und Frau Wanka ein solches Freundschaftsverhältnis nicht besteht - was ich nicht weiß - wird es sich in diesen Monaten in der jetzigen Bundesregierung schwer entwickeln können.

Wie wichtig sind enge Bindungen oder sogar Freundschaften im Politikbetrieb?

Das wichtigste im Politikbetrieb ist Verlässlichkeit und Loyalität. Wobei man durchaus offen lassen kann, aus welchen Quellen sich Verlässlichkeit und Loyalität speisen. Es könnte sehr wohl auch das Interesse sein, selbst protegiert zu werden und die weiteren Karriereschritte so lange  zu gehen, bis man eben den Protektor vom Thron stoßen kann. Wenn über diese taktische Verwendung von Verlässlichkeit und Loyalität hinaus auch noch ein echtes persönliches Verhältnis da ist, dann ist das natürlich ein Glücksfall. Und wann immer man sich dieses Glücksfalls erfreuen kann, ist das von unschätzbarem Wert gerade im Haifischbecken der Politik. Infolgedessen ist der Verlust von Frau Schavan für die Kanzlerin tatsächlich ein herber Verlust.