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Klug oder zaghaft?

23. Juni 2009

Angesichts der Proteste im Iran hat sich US-Präsident Obama zurückhaltend geäußert. Das sei jedoch kein Zeichen von Zaghaftigkeit, findet der Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt.

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Der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt (SPD), (Archiv, Foto: dpa
Bild: picture-alliance / dpa

DW-WORLD.DE: Obama wollte vorsichtig sein - trotzdem schimpfte Ahmadinedschad am Tag danach in Richtung USA über die interventionistische Haltung des Westens - also ist seine Rechnung nicht aufgegangen?

Karsten Voigt: Ich glaube, dass Obama klug gehandelt hat, denn sein Engagement für die Demokratie im Iran ist unbestritten, aber er will den Machthabern in Teheran keinen Vorwand liefern, ihr Feindbild wieder zu beleben oder die Menschen, die im Iran nach mehr Demokratie streben, dem Verdacht aussetzen, dass sie sozusagen Instrumente amerikanischer Politik sind. Aber gerade wir Deutschen, die wir traditionell ein sehr gutes Verhältnis zum iranischen Volk haben, wir müssen deutlich machen, dass wir natürlich auf der Seite derjenigen stehen, die mehr Demokratie, mehr Bürgerrechte und mehr Pressefreiheit wollen.

Könnte nicht bei den vielen tausend Oppositionellen, die tagtäglich jetzt im Iran auf die Straßen gehen und ihr Leben riskieren, der Eindruck entstehen, dass ihr Schicksal nicht interessiert und diplomatische Beziehungen offenbar wichtiger sind?

Nein, ich glaube, dass das nicht der Fall ist. Die Iraner kämpfen einen Kampf im eigenen Land um mehr Demokratie und da können wir sie von außen nur verbal unterstützen durch unsere Solidaritätsbekundungen. Aber der Kampf wird innerhalb des Iran entschieden. Und wir dürfen auch nicht den Eindruck erwecken, als sei irgendjemand, der im Iran für mehr Demokratie eintritt jemand, der das Spiel einer ausländischen Macht betreibt. Das würde Ahmadinedschad in die Hände spielen und insofern ist die Zurückhaltung Obamas verständlich und klug und keineswegs miss zu verstehen als ein zu geringes Engagement für die Demokratiebewegung im Iran.

Wird sich das iranische Regime überhaupt von den Ermahnungen des Westens beeindrucken lassen?

Ein Regime, das bereit ist, Gewalt und Schusswaffen gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen wird sich davon nicht beeindrucken lassen, das ist häufig auch in Osteuropa zu beobachten gewesen, wenn wir die Entwicklungen etwa in der DDR, in Ungarn oder in Polen von außen miterlebt haben, ohne wirklich helfen zu können. Aber das ändert ja nichts daran, dass man trotzdem zeigen muss, auf welcher Seite man steht und das tun wir zurzeit mit unseren Stellungnahmen und Solidaritätserklärungen.

Obamas oberstes Ziel ist der Dialog mit dem Iran: Wenn Ahmadinedschad im Amt bleibt, haben es die USA nicht nur mit einem Holocaust-Leugner mit nuklearen Ambitionen zu tun, sondern auch mit einem mutmaßlichen Wahlfälscher. Ist sein Plan jetzt schon gescheitert?

Wir können uns häufig die Leute nicht aussuchen, mit denen wir verhandeln, sondern wir müssen mit denjenigen sprechen, die an den Stellen sitzen, wo wir Verhandlungsbedarf sehen. Und über das Streben nach Nuklearwaffen im Iran kann man nun mal nur mit denen sprechen, die dort an der Macht sind.

Wenn ich in meinem Leben nur die Hände derjenigen geschüttelt hätte, die lupenreine Demokraten gewesen wären, wären meine Kontakte in der Außenpolitik, gerade zu Zeiten des Kalten Krieges sehr eingeschränkt gewesen. Das muss man ganz klar sehen: Selbst wenn wir dem Regime abgrundtief skeptisch gegenüber stehen und auf der Seite der Demokratiebewegung sind, erübrigt sich dadurch nicht die Notwendigkeit von Gesprächen mit den Machthabern im Iran über ihre Außen- und Sicherheitspolitik.

Gerät Obama denn jetzt innerhalb der USA unter Druck, weil er so zaghaft reagiert?

Im Kongress bestimmt, obwohl es kein zaghaftes, sondern ein kluges Reagieren ist, auch wenn einige das als zaghaft auslegen werden. Es ist immer leichter, in solchen kritischen Situationen Zustimmung für eine Politik der lauten Sprüche und klaren Meinungen zu bekommen. Aber man muss ja immer auch den zweiten und dritten Schritt mit bedenken, deshalb glaube ich ist es sehr vernünftig, einerseits klar zu machen: Wir stehen auf der Seite von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Andererseits wissen wir, dass das Streben des Iran nach Atomwaffen ein Problem ist, das wir mit den Machthabern besprechen müssen. Übrigens wäre auch Mussawi einer, der an dem Atomprogramm festgehalten hätte. Insofern ist Demokratie etwas, wofür wir stehen, aber zu glauben, dass mit mehr Demokratie im Iran das Streben nach Nuklearwaffen beendet würde, ist leider eine Hoffnung, die nicht eintreten würde.

Am Donnerstag reist Bundeskanzlerin Angela Merkel in die USA - wird sie Obama da noch mal ermahnen, deutlichere Worte in Richtung Teheran auszusprechen?

Ich glaube, dass beide, wie auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in ihrer Position jeweils das Richtige gesagt haben, deshalb gibt es überhaupt keinen Anlass zu einer wechselseitigen Kritik. Aber dass das Thema Iran in allen seinen Aspekten auf der Agenda stehen wird, darüber bin ich mir ziemlich sicher.

Karsten D. Voigt (SPD) ist seit 1999 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit.

Das Interview führte Cordula Denninghoff

Redaktion: Ina Rottscheidt