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Nur eine Frage der Zeit

Das Interview führte Andreas Tzortzis6. Juli 2003

Mehrere 10.000 US-Soldaten könnten schon bald aus Westeuropa abgezogen werden. Das amerikanische Militär erwägt, den Fokus auf jene östlichen Staaten zu lenken, die den Irak-Krieg unterstützt haben.

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Sinkende strategische Bedeutung: US-Soldaten in DeutschlandBild: AP

Ähnlich wie die Deutsche Mark oder Helmut Kohl gehört die Präsenz amerikanischer Soldaten in Süddeutschland zum festen Bestandteil der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Seit die USA sich von Ländern der ehemaligen Sowjetunion, im Mittleren Osten, Zentralasien und Nordafrika bedroht fühlt, hegen US-Militärstrategen Pläne, ihre Truppen in Deutschland zu verkleinern. Osteuropäische Länder mit niedrigeren Lebenshaltungskosten und wirtschaftlicher Aufbruchstimmung könnten eine mögliche Alternative sein. Zum Beispiel Polen oder Ungarn, wo die USA vor dem Golf-Krieg irakische Kurden zu Oppositionskämpfern ausgebildet haben.

DW-WORLD sprach mit dem stellvertretenden Befehlshaber der US-Truppen in Europa, General Charles Wald, über die politischen und ökonomischen Konsequenzen einer Truppenverlagerung in den Osten.

Charles F. Wald
Bild: AP

DW-WORLD: In den Medien ist viel spekuliert worden, über den hiesigen Abzug der US-Truppen und ein Wiederaufstellen der Basen an anderen Orten. Welche Art von Verlagerung ist geplant und warum wird gerade jetzt darüber diskutiert?

Charles Wald: Rund 84 Prozent unserer Truppen sind in Deutschland und Zentraleuropa stationiert und das, obwohl es hier eigentlich kein Sicherheitsproblem mehr gibt. Das Sicherheitsproblem hat sich vielmehr nach Osten und in den Süden verlagert. Die Turbulenzen im Mittleren Osten, die jetzt in der Operation "Irakischer Frieden" gipfelten und das Kaspische Meer, gewinnen, was den Terrorismus betrifft, an strategischer Bedeutung und das selbe gilt für das Horn von Afrika und die südliche Sahara.

Wir schauen uns um und bedenken die geopolitischen Interessen der USA: Wo liegen sie? Sind wir an den richtigen Orten aufgestellt? Haben wir zu viel Personal in Übersee, gibt es andere Möglichkeiten in Europa präsent zu sein? In den nächsten sechs Monaten werden einige dieser Streitkräfte verlagert, andere aber auch nach Hause geschickt werden. In jedem Fall geht es um eine größere Zahl. Genaue Angaben können wir noch nicht machen, aber diskutiert wird ein Umfang von 30 bis 40 Prozent.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte diesen Plan ja schon bei seiner Amtsübernahme im Jahr 2000. Warum wird er jetzt diskutiert, in einer Zeit, in der die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht wirklich gut sind?

Diese Frage stellen sich viele Leute. Aber das ist eher ein Thema der Medien, dass unsere Pläne vor dem Hintergrund der Kluft zwischen den USA und Deutschland oder anderer NATO-Staaten entstanden seien. Die Antwort ist: Nein. Eine Verlagerung unserer Truppen wäre unabhängig von politischen Entscheidungen notwendig.

Ein kritischer Punkt für das US-Militär sind die Trainingsmöglichkeiten. Eine Stärke der Deutschen ist zum Beispiel der Umweltschutz. Die US-Armee trainiert im bayerischen Grafenwöhr und über die Jahre haben wir dort so viel Rücksicht auf die Umwelt genommen, dass das gesamte Gebiet jetzt unter Naturschutz gestellt wurde. Das ist wohl eine Ironie des Schicksals. Jetzt können wir dort keine Übungen mehr abhalten. In den osteuropäischen Ländern scheint es da ein bisschen mehr Freiheiten, sprich bessere Trainingsmöglichkeiten zu geben.

Zurück zum strategischen Standort: Welche Nachteile hat Deutschland?

Der größte Nachteil sind die eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten. Es aber auch viele Argumente, die für Deutschland sprechen: Die sichere Umgebung, ein Ort, an dem sich die Familien wohlfühlen. Unsere Anwesenheit hier in Deutschland ermöglicht es uns bis zu zwei Wochen schneller im Mittleren Osten aufgestellt zu sein. Auf der anderen Seite wollen wir unsere Truppen in der Nähe vieler verschiedener Transportmöglichkeiten stationiert haben, sei es das Meer oder der Flugtransport. Wir werden das brauchen, wo auch immer wir sind.

Die Resonanz der noch nicht so entwickelten NATO-Staaten ist sehr positiv, wie sie sich vorstellen können. Sie sind sehr daran interessiert, die USA in ihren Ländern zu haben...und darüber lässt sich auch noch eine Anmerkung machen: Es ist schön, gewollt zu sein.

Die deutschen Städte nahe der US-Basen, die über 50 Jahre von ihrer Präsenz wirtschaftlich profitiert haben, wollen ebenso, dass sie weiter dort bleiben. Was haben Sie getan, um diese Regionen zu beschwichtigen?

Ich denke es wird einige Städte in Deutschland mit weniger US-Basen geben. Welche das seien werden, kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Es ist schön zu sehen, dass die deutsche Bevölkerung, Bürgermeister und andere Menschen, jetzt daran interessiert sind, dass die Dinge sich ändern. Unsere Präsenz ist für manche Regionen wirtschaftlich wichtig, kein Zweifel. Ich denke, Leute, die nicht wollen, dass wir gehen müssen ihre Meinung öffentlich sagen. Das könnte gewisse Dinge ändern. Für uns ist es wichtig, an Orten stationiert zu sein, die uns weit genug entgegenkommen, so dass wir unseren Job machen können.

Einige Länder sind noch etwas zurückhaltend. Etwa die Tschechische Republik, deren Präsident kürzlich gesagt hat, die Tschechen fühlten sich, nach jahrzehntelanger Belagerung durch die Sowjetunion, nicht sehr Wohl bei dem Gedanken an fremde Truppen in ihrem Land. Sind Sie besorgt der Willkommensteppich könnte hier nicht ausrollt werden?

Wir haben nichts davon gehört. Das gute an den USA ist, dass wir niemals ein Land besetzt haben. Wo immer wir auch waren, haben wir Dinge verbessert, wirtschaftlich und hinsichtlich der Umwelt. Die Diskussion über neue Standorte werden mit allen Beteiligten geführt und wir werden dann mit denen verhandeln, bei denen unser Interesse am größten ist.

Wie bald soll das alles über die Bühne gehen?

Ich denke, der Wunsch ist groß, es so schnell wie möglich anzupacken. Innerhalb des nächsten Jahres werden die Entscheidungen getroffen und die ersten Verlegungen abgeschlossen sein. Dann wird alles klarer sein.