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Noch stärkere Internetkontrollen

30. Juni 2009

China will zukünftig alle neuen Computer mit einer Filter-Software ausstatten, die angeblich vor pornografischen Inhalten schützen soll. Bürgerrechtler sehen darin aber einen Angriff auf die Meinungsfreiheit

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Internetcafé Nordpeking(DW/Ruth Kirchner)
Surfen mit GrenzenBild: Ruth Kirchner

In langen Reihen sitzen junge Männer vor den Bildschirmen eines Internetcafes in Nordpeking. Sie spielen Videospiele und kämpfen dabei gegen digitale Bösewichter oder für die virtuellen Freiheit. Sie räumen reihenweise Feinde aus dem Weg - denn im Internet ist alles möglich. Die Realität in China ist aber meist weniger bunt und frei, denn in keinem anderen Land der Welt wird das Internet so streng kontrolliert wie im Reich der Mitte. In jedem Internetcafe verlangen die Angestellten nach Ausweisen, noch bevor jemand sich an den Computer setzen darf. Unzählige Webseiten sind blockiert, darunter auch die der Deutschen Welle.

Ab Mittwoch (01.07.2009) werden die Kontrollen noch strenger. Dann muss nach dem Willen der Regierung jeder neue Computer mit einer speziellen Filter-Software ausgestattet werden - eine Vorschrift, die sowohl in China als auch im Ausland einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat. Denn über die bisherigen Kontrollen gehe die neue Regelung weit hinaus, sagt der unabhängige Medienexperte Andrew Lih. Bislang kamen die Zensur-Filter außerhalb des eigenen Computers auf der Server-Seite zum Einsatz. "Aber mit der neuen Regelung und der neuen Software kann die Regierung jetzt auch auf einmal auf die Computer von Privatpersonen zugreifen und diese kontrollieren", sagt Lih. Das öffne der Überwachung Tür und Tor.

Schutz oder Einschränkung?

Laohu Miao(DW/Ruth Kirchner)
Für mehr virtuelle Freiheit - Blogger Laohu MiaoBild: Ruth Kirchner

Die neue Software trägt den Titel "Grüner Damm". Sie soll, sagt die Regierung, vor allem Pornografie blockieren. Jeder, der Kinder hat, mache sich Sorgen wegen obszöner und gewalttätiger Inhalte im Internet, wiederholt Außenministeriums-Sprecher Qin Gang seit Wochen die Regierungsposition. "Es ist die Pflicht und Verantwortung jeder Regierung, junge Menschen vor vulgären Inhalten zu schützen." Aber in der Blogger-Szene Chinas gibt es kaum jemanden, der der Regierung diese Erklärung abnimmt. Das Gerede vom Jugendschutz sei doch nur ein Vorwand, sagt der bekannte Blogger Laohu Miao. "Es geht in Wirklichkeit darum, die Meinungsfreiheit weiter einzuschränken." Seit Wochen protestieren Laohu Miao und andere Blogger massiv ium Internet gegen die neue Software. Der bekannte Künstler - und begeisterte Blogger - Ai Weiwei hat für Mittwoch alle Internet-Nutzer zu einem eintägigen Boykott des Netzes aufgerufen. Denn der "Grüne Damm" blockt nicht nur Pornografie, sondern nach den Erfahrungen vieler Nutzer auch andere Webseiten. Zudem erleichtere die Software Hackern den Zugriff auf einzelne Computer, so Internetexperte Lih. Die Qualität der neuen Software entspreche einfach nicht dem neuesten Stand der Programmiertechnik. "Das kann in Zukunft für massive Schwierigkeiten bei der Internet- und Datensicherheit sorgen", davon ist Lih überzeugt.

Widerstand gegen die Internet-Zensur

Chinesischer Anwalt Li Fangping (DW/Ruth Kirchner)
Gegen die Internetzensur -Anwalt Li FangpingBild: Ruth Kirchner

Bürgerrechtsaktivisten versuchen daher auch auf juristischem Wege gegen die neuen Vorschriften vorzugehen. Der Bürgerrechtsanwalt Li Fangping etwa ist beim zuständigen Ministerium für Informationstechnologie vorstellig geworden. Die neuen Maßnahmen seien ohne öffentliche Debatte eingeführt worden und daher illegal, argumentiert er. Die Datensicherheit, der Schutz der Privatsphäre und die Informationsfreiheit seien nicht gewährleistet. "Dazu verlangen wir von den Behörden eine Stellungnahme." Auf eine Antwort wartet Anwalt Li bislang vergeblich. Doch auch in der Bevölkerung regt sich seit Wochen Widerstand. In Internet-Umfragen sprachen sich rund 80 Prozent der Befragten gegen die zwangsweise Installierung des "Grünen Damms" aus.

Auch in dem Internetcafe in Nordpeking sind die meisten Leute skeptisch, ob sie die Software auf ihrem Computer zulassen würden. "Wenn ich entdecke, dass dadurch für mich Nachteile entstehen, würde ich sie sofort entfernen", sagt ein junger Student und wendet sich wieder seinem Computerspiel zu. Trotz des massiven Widerstands fürchten viele Bürgerrechtsaktivisten dennoch, dass die neue Software viele Menschen davon abhalten dürfte, sich Informationen abseits der staatlich sanktionierten Medien zu besorgen. Durch die neue Software würden Ängste geschürt, sagt Anwalt Li Fangping. "Das ist als würde die Regierung sagen, wir wissen, was du online machst, was du im Internet anschaust. Das führt dazu, dass sich Leute bestimmte Informationen über Menschenrechte oder Politik gar nicht mehr anschauen oder sofort, wenn sie so etwas online lesen, Bedenken haben."

Zum Scheitern verurteilt?

Internetbestimmungen
Mehr staatliche Kontrolle doch nur ein Traum?Bild: Ruth Kirchner

Doch ob die neuen Bestimmungen tatsächlich greifen, ist unklar. So gibt es bislang noch keine klaren Regelungen, ob die Software bereits vor dem Verkauf in die neuen Computer installiert werden muss, oder ob es reicht, sie als CD einfach beizulegen. Dann bliebe es den Käufern überlassen, ob sie das Filterprogramm installieren - oder auch nicht. Das, sagt Medienexperte Andrew Lih, sei bereits ein indirektes Eingeständnis, dass man bei der Einführung der neuen Richtlinien den Widerstand in der Bevölkerung unterschätzt habe. Möglicherweise gehen die neuen Vorschriften den gleichen Weg wie viele Regelungen zuvor: "Es gibt unzählige Vorschriften fürs Internet, die zwar auf dem Papier stehen, aber nicht umgesetzt werden", so Lih. Denn es wäre für die Regierung einfach zu peinlich ihre Fehler einzugestehen oder sich dem öffentlichen Druck zu beugen. Als Versuchsprojekt, wie viel Kontrolle man den chinesischen Bürgern zumuten kann, ist die Software daher möglicherweise schon vor ihrer Einführung gescheitert. Doch die Internetgemeinde in China fragt sich, was den staatlichen Kontrolleuren wohl als nächstes einfällt.

Autorin: Ruth Kirchner

Redaktion: Michaela Paul