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Neue Wege gegen den Hunger

Harald Franzen25. Mai 2016

Ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel wird nicht gegessen. Dabei handelt es sich vor allem um sogenannte Nachernteverluste. Eine private Initiative will genau dort ansetzen und nimmt viel Geld in die Hand.

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Simbabwe Maisfeld bei Harare (Foto: Reuters/P. Bulawayo)
Bild: Reuters/P. Bulawayo

Wenn es darum geht, die Weltbevölkerung zu ernähren, dann wird häufig die Steigerung der Lebensmittelproduktion genannt. Dabei wird jedoch oft übersehen, wie viel Essen nie auf die Teller gelangt. Ein erheblicher Faktor dabei sind die Nachernteverluste. Damit sind die Nahrungsmittel gemeint, die weggeworfen werden, obwohl sie noch essbar wären oder solche, die bereits im Produktionsprozess verloren gehen. Letzteres trifft vor allem Bauern in Entwicklungsländern.

Die Initiative YieldWise der Rockefeller Foundation in Afrika stellt nun 130 Millionen US-Dollar (116 Millionen Euro) zur Verfügung, um auf dem Kontinent nach Lösungen für das Problem zu suchen. "Der allgemeine Eindruck ist, dass wir in Afrika eine Produktionslücke haben, aber die Realität ist, dass wir uns selbst ernähren könnten", sagt Mamadou Biteye, Geschäftsführer der Initiative im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das Problem seien die Nachernteverluste. "60 Prozent dessen, was produziert wird, geht verloren!"

Eine Studie der Welternährungsorganisation (FAO) aus dem Jahr 2011 kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach werden jedes Jahr knapp 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel vernichtet.

Eine Verschwendung von Ressourcen

Während in vielen Industriestaaten essbare Nahrungsmittel einfach weggeworfen werden, ist das Problem in ärmeren Ländern anderer Natur. Besonders nach der Ernte von Obst und Gemüse gehen viele Lebensmittel verloren. So schafft es in Afrika nur die Hälfte dieser Lebensmittel überhaupt auf den Teller. Dabei kommt es in verschiedenen Phasen der Wertschöpfungskette zu Verlusten: Bei der Lagerung direkt nach der Ernte, aber auch bei der Verarbeitung, beim Transport oder der späteren Lagerung werden Pflanzen beschädigt, verunreinigt oder gehen verloren.

Frankreich Lebensmittelverschwendung (Foto: AFP PHOTO / MIGUEL MEDINA)
In den Industrieländern werden viele Lebensmittel einfach weggeworfenBild: Getty Images/AFP/M. Medina

Maniok, eine Wurzelknolle, die in vielen Entwicklungsländern als Grundnahrungsmittel dient, verdirbt beispielsweise innerhalb von 24 bis 72 Stunden nach der Ernte, wenn die Knolle nicht verarbeitet wird.

"Nachernteverluste sind seit Jahrzehnten ein Problem, aber die Leute haben das nicht besonders ernst genommen", sagte Prasanta Kalita, Direktor des ADM Institute for the Prevention of Postharvest Loss an der US-amerikanischen Universität von Illinois im Interview mit der DW. Sein Institut forscht seit Jahren im Bereich der Nachernteverluste. Als die FAO aber 2011 eine Studie veröffentlicht hat, nach der 2050 eine Weltbevölkerung von fast 9,5 Milliarden ernährt werden soll, sei das ein Schock gewesen, fasst Kalita zusammen. Und plötzlich seien Nachernteverluste ein wichtiges Thema geworden. "Für viele Menschen in Afrika ist es überlebenswichtig, dass wir die Verluste und Verschwendung von Lebensmitteln reduzieren", so der Wissenschaftler aus den USA.

Mehr als Ernährungssicherheit

Und es geht nicht nur um ausreichend Essen für die Weltbevölkerung. Im Schnitt verlieren Kleinbauern in Entwicklungsländern bis zu 15 Prozent ihres Einkommens durch Nachernteverluste. Eine halbe Milliarde Bauern sind davon betroffen.

Darüber hinaus sind auch die Auswirkungen auf die Umwelt nicht zu unterschätzen. "Etwa 25 Prozent des weltweiten Süßwassers und ein Fünftel der weltweiten Ackerflächen werden jedes Jahr dazu verwendet, um Lebensmittel anzubauen, die gar nicht gegessen werden", sagte Mamadou Biteye. Wasser und fruchtbares Land sind in vielen Teilen der Welt knapp. Zusätzliche Anbauflächen bedeuten häufig auch die Zerstörung von Ökosystemen und den Verlust von Artenvielfalt.

Großer Finanzbedarf

Bisher fehlten die Ressourcen, um das Problem energischer anzugehen, analysiert Biteye. "Viele Investitionen in der Landwirtschaft gehen in die Verbesserung der Produktivität." Weniger als fünf Prozent würden hingegen in das Nacherntemanagement investiert.

Simbabwe Bauern auf einem Maisfeld (Foto: REUTERS/Philimon Bulawayo)
Viele Faktoren führen zu NachernteverlustenBild: Reuters/P. Bulawayo

"Die Verluste sind von Land zu Land verschieden", erklärt Kalita, "ganz zu Schweigen davon, dass sie sich auch von Nutzpflanze zu Nutzpflanze stark unterscheiden." Dabei spielen unter anderem auch Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Schädlinge eine Rolle.

Auch die Kosten sind relevant. Zwar gibt es innovative Methoden, um Lebensmittel zu trocknen, oder sie in luftdichten Behältern zu lagern. "Die Bauern können sie sich aber immer noch nicht leisten", sagt Kalita. Deshalb setzt er auf die Entwicklung einfacher technischer Lösungen oder auf die Optimierung bereits vor Ort gebräuchlicher Lagerungs- oder Trocknungsmethoden.

Wertschöpfungsketten unter der Lupe

Mit knapp 116 Millionen Euro ist die YieldWise-Initiative kein kleines Unterfangen. Mamadou Biteye, der Geschäftsführer der Stiftung für Afrika, räumt aber ein, dass es nicht genug sein wird, um das Problem zu lösen. Zunächst sollen nun beispielhaft die Wertschöpfungsketten von vier verschiedenen Nutzpflanzen in unterschiedlichen afrikanischen Ländern untersucht und Verluste entlang der Wertschöpfungskette identifiziert werden.

Dabei sollen die Bauern auch Zugang zu Technologien bekommen, die eine bessere Lagerung und Konservierung der Lebensmittel ermöglichen. Auch bei den Unternehmen, die Lebensmittel aufkaufen, sollen die Verluste bei der Verarbeitung und Lagerung reduziert werden.

"Wir wollen demonstrieren, was funktionieren kann und was nicht, und wir glauben, dass andere Akteure wie die Regierung oder die Privatwirtschaft auch ein Interesse daran haben, die Lösungen aufzugreifen und sie in größerem Maßstab umzusetzen", sagt Biteye.

Die Ziele von YieldWise sind ambitioniert: Bis 2030 sollen die weltweiten Nachernteverluste mindestens halbiert werden. An diesen Zielen muss sich die Initiative messen lassen.