1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Agrarpolitik für die EU

26. Juni 2003

Die EU-Landwirtschaftsminister haben sich auf einen Kompromiss zur Agrarreform geeinigt. Die umfassendste Neuordnung der Agrarpolitik seit Bestehen der Union soll innerhalb von zwei Jahren schrittweise umgesetzt werden.

https://p.dw.com/p/3mib
Zu viel Milchproduktion soll es künftig nicht mehr gebenBild: AP

Die in der EU für Landwirtschaft zuständigen Minister verständigten sich am Donnerstag (26.6.2003) auf einen von EU-Agrarkommissar Franz Fischler vorgelegten Kompromissvorschlag zur Agrarreform. Portugal stimmte nach einem Verhandlungsmarathon in Luxemburg als einziges Land gegen die Reform.

Das Herzstück des Beschlusses ist die Entkopplung, mit der den Bauern der Anreiz genommen werden soll, durch mehr Produktion automatisch auch mehr Beihilfen zu bekommen. Stattdessen erhalten sie künftig eine Prämie, die anhand historischer Prämieneinnahmen errechnet wird und ihre Existenz sichert. Die Landwirte sollen sich zukünftig an der tatsächlichen Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten am Markt orientieren. Überproduktion und damit Fleisch- und Getreideberge sollen so verhindert werden. Bislang galt: Je mehr die Bauern produzierten, desto mehr Geld bekamen sie.

Strafen für Umweltsünder

Zudem drohen den Landwirten erstmals Abzüge bis zu einem Viertel der Prämie, wenn sie gegen Tier-, Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen verstoßen. Mit der Reform soll die wirtschaftliche Entwicklung der ländlichen Räume sowie Programme für mehr Umweltschutz gefördert werden. Das dafür notwendige Geld wird durch eine schrittweise Kürzung der Prämien für Großbetriebe aufgebracht. Es sollen Arbeitsplätze geschaffen und die Landflucht gestoppt werden.

Der nun erzielte Kompromiss sieht eine zeitlich flexible Lösung für die Umsetzung der Neuordnung vor. Im Klartext: Die Reformen sollen in den kommenden zwei Jahren erst allmählich statt in einem Zug eingeführt werden.

Zugeständnisse an Frankreich

Damit kommt der Kompromiss einer Forderung Frankreichs entgegen, das sich ebenso wie Spanien, Italien, Irland und Portugal gegen die ursprünglichen Vorschläge gestellt hatte. Außerdem sieht der Plan vor, dass Getreide und Rindfleisch weiterhin bis zu einem gewissen Grad in Abhängigkeit von der Produktionsmenge subventioniert werden können. Als Obergrenze gelten hier 25 beziehungsweise 40 Prozent. Frankreich als schärfster Kritiker von Fischlers Reformplänen stimmte schließlich zu, weil auf die geplante Kürzung der von der EU garantieren Mindestpreise für Getreide um fünf Prozent verzichtet wurde.

Seit drei Wochen hatten die Agrarminister verhandelt. Zuletzt arbeitete Fischler in der Nacht mit Hilfe des griechischen Ratsvorsitzes einen neuen Kompromissvorschlag aus, der vor allem den Bedenken Frankreichs entgegenkam. In der vergangenen Woche hatte Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac persönlich für einen Abbruch der Verhandlungen gesorgt.

Lob und Kritik

Die Reform sei der "Beginn einer neuen Ära", sagte EU-Agrarkommissar Fischler nach der Einigung. "Europa hat sich heute eine neue und effiziente Agrarpolitik gegeben." Der griechische Landwirtschaftsminister und amtierende Ratspräsident Georgios Drys sagte, es handele sich um eine "Entscheidung von historischer Tragweite für die europäische Landwirtschaft und die Zukunft der europäischen Bauern".

Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast wertete die Reform als großen Erfolg. "Damit sind wir aus dem alten Agrarsystem ausgebrochen", sagte sie. Doch es gab auch schon erste Gegenstimmen: Der dänische Bauernverband kritisierte zahlreiche nationale Ausnahmeregelungen. "Wir könnten mit dieser Reform leben, wenn es nicht all die Ausnahmeregelungen für einzelne Länder geben würde", sagte Bauernverbandspräsident Peter Gæmelke. Gæmelke, der auch Präsident des Europäischen Bauernverbandes ist, nannte dies eine "dramatische Veränderung", weil es bisher für Alle gemeinsame Subventionsregeln gegeben habe.

Belastung für EU-Etat

Die EU-Agrarausgaben, die als handelsverzerrend kritisiert werden, verschlingen fast die Hälfte des gesamten EU-Haushalts von fast 100 Milliarden Euro jährlich. Ein Kompromiss zur Agrarreform gilt zudem als entscheidend für die anstehende neue Welthandelsrunde, die im September 2003 in Mexiko stattfindet. Die EU steht unter hohem Druck, Subventionen für die heimischen Bauern zu kürzen und Drittstaaten den Import von Agrargütern zu erleichtern. (mik)