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Politik

Mit Spraydose und Schaber gegen Hass

Nastassja Shtrauchler | Manasi Gopalakrishnan
10. Oktober 2016

Seit 30 Jahren entfernt Irmela Mensah-Schramm rechtsextreme Aufkleber und Graffiti von öffentlichen Orten. Dafür kassierte sie nun eine Anzeige wegen Sachbeschädigung. Hört sie nicht auf, wird es richtig teuer.

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Irmela Mensah Schramm
Bild: picture-alliance/dpa/V. Bonn-Meuser

Irmela Mensah-Schramm hat sich selbst den Namen "Polit-Putze" verpasst. Die ehemalige Erzieherin hat ihre Berufung im Abkratzen und Entfernen von Neonazi-Symbolen gefunden. Ob Hakenkreuze auf Parkbänken oder fremdenfeindliche Parolen auf öffentlichen Plätzen: Mensah-Schramm findet sie und lässt sie verschwinden. 1986 begann sie ihre Aktion. Damals entdeckte sie einen Sticker auf einer Wand im Berliner Westen, auf dem die Freilassung von Rudolf Heß gefordert wurde.  Heß war ein hochrangiges Mitglied der NSDAP im Dritten Reich gewesen. Bis zu seinem Tod 1987 war er in Berlin-Spandau inhaftiert.

"Ich habe den Sticker damals nicht sofort abgemacht, weil ich so überrascht und schockiert war ", sagt die Aktivistin im DW-Interview.  Zehn Stunden später sei sie dann zurückgekommen und habe ihn abgekratzt. Mensah-Schramm bezeichnet diesen Moment als "Schlüsselerlebnis". "Es war ein tolles Gefühl und ich dachte: Siehst du, du hast ihn weggemacht, du hast es getan." Und sie fügt hinzu: "Mit Nichtstun kann man nichts erreichen."

Seitdem kratzt, schrubbt und übermalt die 70-Jährige Neonazi-Symbole und -Parolen überall da, wo sie ihr begegnen. Ihr Eifer hat sie unter anderem auch schon nach Belgien, Italien, Frankreich und Österreich geführt.

Irmela Mensah Schramm
Rechte Parolen finden sich überall: Mensah-Schramm in einem Berliner ViertelBild: picture-alliance/dpa/V. Bonn-Meuser

Grüne Herzen anstelle von blankem Hass

Rechtsextreme Symbole aus der Zeit der Nationalsozialisten oder jene, die die Deutschen als überlegene Rasse darstellen, stehen in Deutschland unter Strafe. Bis diese Schmierereien aber von öffentlichen Plätzen entfernt werden, kann es manchmal sehr lange dauern. Für Mensah-Schramm ist genau das der Grund, warum sie weitermacht. "Diese Nazisymbole, die eigentlich schon längst weg sein müssten, bleiben jahrelang dran", sagt sie verärgert. Und auch nach dem Entfernen könne man noch immer die Umrisse erkennen, "weil die restliche Hauswand nachgedunkelt ist", erklärt sie. So entstand eine weitere Idee.

"Ich war mit Schülern in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt und wir wollten ein Hakenkreuz von einer Wand abkratzen." Doch das war auch danach noch immer sichtbar und so sprühte die Berlinerin kurzerhand grüne Farbe darüber. Einer der Jugendlichen sagte zu ihr: "Malen Sie doch ein Herz". Und das tat die 70-Jährige prompt. Die Schüler seien begeistert gewesen, erinnert sie sich. Und auch in ihr veränderte sich etwas. So habe sie festgestellt: Wenn sie etwas nur übermale, bleibe die Wut. "Wenn ich aber ein Herz daraus gemacht habe, dann tat mir das gut." Aus dem Neonazi-Symbol "88" macht sie nun immer Schmetterlinge.

Hass kennt keine Grenzen - der Kampf dagegen schon

Mensah-Schramm ist noch immer jedes Mal glücklich, wenn sie das Resultat ihrer Arbeit sieht. Grüne Herzen zum Beispiel, da wo sich vorher Hass breitgemacht hatte. Einiger ihrer letzten Aktionen aber haben ihr nun ein Problem mit den Behörden eingebracht.  Im Mai übermalte sie in einer Unterführung in Berlin den Schriftzug "Merkel muss weg". Der Slogan, der sich gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel richtet, stammt von der fremdenfeindlichen Bewegung "Pegida". Deren Anhänger hatten sich über Wochen hinweg jeden Montag in Dresden zu Massenprotesten versammelt, um Hass und Angst gegen Einwanderer und Flüchtlinge zu verbreiten. Die ehemalige Erzieherin machte also aus dem "Merkel muss weg" kurzerhand ein "Merke!Hass weg!". Alles in rosa Farbe und mit zwei Herzen versehen.

Irmela Mensah-Schramm
Schrubben und kratzen gegen den Hass: Mensah-Schramm will weitermachenBild: Oliver Wolters

Trotz ihrer durchaus guten Absichten erstattete die Berliner Polizei Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen Mensah-Schramm. Anfang Oktober dann erhielt die Aktivistin vor dem Berliner Kammergericht einen Strafbefehl. Falls sie solche Aktionen innerhalb eines Jahres wiederhole, müsse sie bis zu 1800 Euro Geldbuße zahlen. Ein Gerichtssprecher sagte, man hätte sie davonkommen lassen können, wenn sie ein Hakenkreuz entfernt hätte. Doch die Parole "Merkel muss weg", sei keine verfassungsfeindliche und so habe sie die Verwarnung kassiert.

Dem Protest anders Ausdruck verleihen

Für die 70-Jährige, die für ihre "Säuberungs"-Aktion Deutschlands höchste Ehrung - das Bundesverdienstkreuz - erhalten hat, ist das Verfahren vor allem ein Beweis dafür, welchen Rückhalt sie in der Bevölkerung hat. "Menschen, die ich nicht kenne, haben mir geschrieben und mir Geldspenden angeboten, sollte ich die 1800 Euro zahlen müssen." Die Unterstützung habe sie überrascht und sie bestätigt, dass das, was sie macht, auch angenommen wird. Die Staatsanwältin hat sie darum gebeten, ihrem Protest anders Ausdruck zu verleihen. Mensah-Schramm aber bleibt unnachgiebig. Sie will in Berufung gehen und natürlich weiterhin Herzen aus Hass-Parolen malen.