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Militarisierung im Südchinesischen Meer

Rodion Ebbighausen11. August 2016

Satellitenbilder belegen, dass China den Ausbau seiner künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer vorantreibt. Gleichzeitig soll Vietnam dort Raketenwerfer stationiert haben. Ist Konfrontation unvermeidlich?

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Mischief Reef im Südchinesischen Meer während der Bauarbeiten
Bild: Reuters/U.S. Navy

Gerade veröffentlichte Satellitenbilder von den Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer zeigen, dass die Volksrepublik China dort Flugzeughangars und sechseckige Gebäude errichtet hat, deren Funktion nicht klar ist. Experten gehen davon aus, dass China in absehbarer Zeit bis zu 80 Kampfflugzeuge in der umstrittenen Region stationieren könnte.

Die Bilder, die zwischen dem 3. Juni und dem 22. Juli 2016 aufgenommen wurden, hat der US-Thinktank Asia Maritime Transparency Initative (AMTI), der zum Washingtoner Zentrum für strategische und internationale Studien (CSIS) gehört, am 10. August veröffentlicht. Gregory Poling, Direktor von AMTI, sagte gegenüber der Deutschen Welle: "Wir sehen, dass China Fortschritte bei der Militarisierung des Südchinesischen Meeres macht. Ein Plan, den Peking schon seit längerer Zeit verfolgt." Als Motiv vermutet Poling: "China versucht, die faktische Kontrolle über das Wasser und den Luftraum innerhalb der Neun-Striche-Line zu erlangen, zumindest gegenüber den südostasiatischen Nachbarn."

Carl Thayer, emeritierter Politologe der australischen Universität in New South Wales, glaubt, dass die dauerhafte Stationierung von Kampfflugzeugen die regionale Sicherheit zuküftig aus dem Gleichgewicht bringen könnte, weist aber zugleich darauf hin, dass es momentan auf diesen Inseln noch an Treibstofftanks fehlt. Zum jetzigen Zeitpunkt könnten die Inseln nur als Zwischenstation für Patrouillen dienen.

Karte Südchinesisches Meer Besitzanspruch China Deutsch
Die Neun-Striche-Linie

Reaktion auf Urteil aus Den Haag

Poling und Thayer sind sich einig, dass der Bau der Hangars als Reaktion auf das Urteil vom Schiedshof in Den Haag zu verstehen ist. Am 12. Juli hatte der Internationale Schiedshof in einem von den Philippinen initiierten Verfahren fast alle Ansprüche der Volksrepublik China im Südchinesischen Meer zurückgewiesen. China erkennt das Urteil nicht an. Thayer sagt: "Alles, was China seither getan hat und tut, zielt darauf ab, den Schiedsspruch zu unterminieren."

In diesem Kontext sind auch Aktionen im Ostchinesischen Meer zu sehen, wo Japan und China widerstreitende Ansprüche auf die Senkaku/Diaoyu-Inseln erheben. Anfang August war eine chinesische Flotte aus Fischerbooten und Booten der Küstenwache in das umstrittene, aber von Japan kontrollierte Gebiet gefahren. Japan bestellte den chinesischen Botschafter ins Außenministerium, da China einsitig versuche, den Status quo zu verändern.

Südchinesisches Meer Subi Reef
Subi Riff am 24. Juli 2016 mit Erläuterungen von AMTI/CSIS zu den militärischen InstallationenBild: picture alliance/dpa/CSIS/AMTI/DIGITAL GLOBE

Vietnam dementiert

Aber nicht nur China treibt die Militarisierung der Region voran. Nach einem exklusiven Bericht von Greg Torode für die Nachrichtenagentur Reuters soll Vietnam einige der umstrittenen, aber von Hanoi kontrollierten Spratly-Inseln mit modernen Raketenwerfern ausgestattet haben. Diese wären in der Lage, die von China auf den künstlichen Inseln neu angelegten Flugfelder zu beschießen. Das System ist laut dem Bericht von Reuters noch nicht mit Raketen bestückt, könnte aber innerhalb von zwei oder drei Tagen gefechtsbereit sein.

Das vietnamesische Außenministerium wies den Bericht als unrichtig zurück, ohne genauer darauf einzugehen. Auf dem Shangri-La Dialog in Singapur (3. bis 5. Juni 2016) hatte der stellvertretende vietnamesische Verteidigungsminister auf Nachfrage von Reuters die Existenz solcher Raketenwerfer bestritten, aber hinzugefügt, dass Vietnam jedes Recht habe, derartige Maßnahmen zu ergreifen, um sich zu verteidigen. Vietnam befürchtet, dass China einseitig eine sogenannte Luftraumüberwachungszone (Air Defense Identification Zone, ADIZ) über dem Südchinesischen Meer einrichten könnte, wie es das bereits im Ostchinesischen Meer getan hat. Alle Flugzeuge, die innerhalb einer ADIZ operieren, müssen sich identifizieren und regelmäßig ihre Koordinaten mitteilen.

Carl Thayer sagte dazu: "China konnte bisher mehr oder weniger ungestraft in der Region operieren. Nur die USA waren eine ernstzunehmende Bedrohung. Jetzt muss sich China auch mit Vietnam auseinandersetzen, das in der Lage wäre, bei sich verschlechternden Bedingungen zuzuschlagen."

Südchinesisches Meer Mischief Reef Landebahn
Zoom auf das Mischief Riff mit hinzugefügten Schemata chinesischer KampfflugzeugeBild: Reuters/CSIS/AMTI/DigitalGlobe

China kompromissbereit?

Der US- Experte Zachary Abuza zieht als Fazit: "Es ist klar, dass das Südchinesische Meer immer stärker militarisiert wird. Deshalb gibt es auf vielen Seiten die Überzeugung, dass China ein gesichtswahrender Ausweg ermöglicht werden muss, um die Situation zu deeskalieren. Für mich ist es aber evident, dass China keinen Ausweg sucht, sondern seine konfrontative Politik noch verstärkt."

Thayer sieht das etwas anders. "Die Sache ist vielschichtig." Auf der einen Seite gebe es zwar die Militarisierung durch China und Vietnam, aber auf der anderen Seite versuchten die Philippinen unter dem neuen Präsidenten Duterte die bilateralen Verhandlungen mit China, die seit zwei Jahren nicht mehr gegeben hat, wiederaufzunehmen. "Im Endeffekt wird es irgendeine Form von Verhandlungen geben. China hat immer betont, dass es an direkten Konsultationen zwischen den betroffenen Nationen interessiert ist."

Dabei könne es natürlich nicht um eine endgültige Lösung des Konflikts gehen. "Die Frage der Souveränität wird in den nächsten Jahrzehnten nicht gelöst werden", so Thayer. Stattdessen muss es um einen pragmatischen Ansatz gehen, der ein Management des Konflikts möglich mache. Das sei genau das, was das UN-Seerechtsübereinkommen für derartig unlösbare Fälle vorgesehen hat. Thayer weist darauf hin, dass der chinesische Außenminister Wang Yi auf einem Treffen mit den ASEAN-Außenministern in Laos signalisierte habe, dass bis Mitte 2017 ein Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer ausgehandelt werden könnte. Eine Meldung, die die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua bislang nicht gebracht hat.

Vielleicht habe das Urteil in Den Haag die Bühne für den Abschluss von Kooperationsabkommen etwa im Fischereibereich bereitet, ohne dass explizit auf das Völkerrecht oder das Urteil aus Den Haag verwiesen wird, was für China inakzeptabel wäre, meint Thayer. "Ich habe die Vermutung, dass China versuchen wird zu verhandeln und dabei darauf hinweisen wird, dass die Beziehungen zwischen Südostasien und China mehr umfassen als das Südchinesische Meer.“ Thayer sieht Anlass zu zurückhaltender Hoffnung, da China und der Verband südostasiatischer Nationen (ASEAN) dieses Jahr 25 Jahre gemeinsamen Dialog feiern.