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Messer-Attentat überschattet Köln-Wahl

18. Oktober 2015

Eigentlich hätte die Kölner Oberbürgermeister-Wahl an diesem Sonntag wohl nur wenig überregionale Aufmerksamkeit erfahren - doch nach dem Anschlag auf Kandidatin Henriette Reker ist nun alles anders.

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Wahlplakate von Henriette Reker und Jochen Ott in Köln (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Trotz des Anschlags auf die parteilose Bewerberin Henriette Reker können die Kölner an diesem Sonntag entscheiden, wer künftig auf dem Chefsessel im Rathaus sitzen soll. Die Wahllokale in der viertgrößten Stadt Deutschlands öffneten am Sonntagmorgen. Wahlleiterin Gabriele Klug appellierte an die Kölner, auf jeden Fall die Stimme abzugeben. Auch Kölns scheidender SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters rief zu Standhaftigkeit auf. "Es geht jetzt darum, dass wir uns nicht unterkriegen lassen", sagte Roters.

Haftbefehl gegen mutmßlichen Attentäter erlassen

Die von CDU, Grünen und FDP unterstützte Reker war am Samstag bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem 44-jährigen Deutschen niedergestochen worden. Der Mann, der vier weitere Menschen verletzte, konnte noch am Tatort festgenommen werden. Für seine Tat nannte er fremdenfeindliche Motive - Reker ist als amtierende Kölner Sozialdezernentin auch für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Domstadt zuständig.

Nach bisherigen Erkenntnissen handelte der seit Jahren arbeitslose Maler und Lackierer allein. Laut einem unbestätigten Bericht von "Spiegel online" soll der Angreifer in den 1990er Jahren bei einer Neonazi-Gruppe, der Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP), mitgemacht haben.

Nach Ansicht eines Gutachters war der Attentäter voll schuldfähig. Es gebe keine Anhaltspunkte, nach der psychologischen Begutachtung daran zu zweifeln, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Gegen den Mann wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Ihm werden versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung in vier Fällen vorgeworfen.

Tatort im Kölner Stadtteil Braunsfeld (Foto: dpa)
Der Tatort im Kölner Stadtteil BraunsfeldBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Flüchtlingskoordinator und Kanzleramtsminister Peter Altmaier rief zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit auf. "Der Anschlag ist verachtenswert und abscheulich", erklärte Altmaier. "Wir müssen uns zu jedem Zeitpunkt deutlich abgrenzen von jeder Form von Ausländerfeindlichkeit und Gewalt." Vizekanzler Sigmar Gabriel warnte vor einem Erstarken des rechten Randes in Deutschland und räumte ein: "Man muss leider sagen, wenn solch eine Stimmung so wächst, dann gibt es Fanatiker, die sich selbst quasi als Vollstrecker des Volkswillens empfinden." Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, ergänzte: "Vielleicht lernen wir daraus, dass wir geschlossen gegen Angstmacherei und rechte Demagogen auftreten müssen."

Wahlsieg vom Krankenbett aus?

Nach einer Notoperation ist Reker nach Angaben ihrer Ärzte inwischen außer Lebensgefahr. "Wir halten zum jetzigen Stand und bei normalem Verlauf die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit von Frau Reker für wahrscheinlich", sagte Klinikdirektor Karl-Bernd Hüttenbrink.

Schon in Umfragen vor der OB-Wahl lag Reker vor ihrem SPD-Konkurrenten Jochen Ott. Nun werde sie wohl bei der Wahl noch "einen tragischen Bonus bekommen", meinte etwa der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. Allerdings sei die 58-Jährige ohnehin die Favoritin gewesen, so dass die Wahl in ihrem Ausgang wohl nicht entscheidend verfälscht werde.

Eigentlich sollte schon Mitte September in Köln ein neues Stadtoberhaupt gewählt werden. Die Bezirksregierung hatte aber die Stimmzettel beanstandet, das Votum wurde daher um fünf Wochen verschoben. Sollte keiner der insgesamt sieben Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen, fällt die Entscheidung in einer Stichwahl am 8. November.

wa/kle (dpa, afp, rtr)