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Menschenhandel in Russland

30. Juni 2005

Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung von Frauen ist für Russland ein großes Problem. Vor ihrer Abreise zu Verhandlungen nach Moskau sprach DW-RADIO mit der OSZE-Sonderbeauftragten für Menschenhandel, Helga Konrad.

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OSZE: Russland ist Ursprungs-, Transit- und Zielland.

DW-RADIO/Russisch: Zahlreiche Frauen, die sexuell ausgebeutet werden, stammen aus Russland. Ist Ihr Besuch ein Signal dafür, dass die OSZE begreift, wie groß dieses Problem für Russland ist?

Helga Konrad: Ich gehe davon aus, dass auch Russland das Problem Menschenhandel und den Kampf gegen Menschenhandel sehr ernst nimmt. Die OSZE besteht aus 55 Teilnehmerstaaten. Russland ist Teil dieser Staaten und hat sich gemeinsam mit den anderen Ländern dazu verpflichtet, konkrete und wirksame Maßnahmen gegen Menschenhandel zu setzen. Ich möchte erwähnen, dass Russland nicht nur ein Ursprungsland für Menschenhandel ist. Es ist sicher auch ein Transitland, aber eben auch ein Zielland für die Nachbarländer, vor allem für Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung.

Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind 20 Prozent der etwa fünf Millionen illegalen Migranten in Russland Opfer von Zwangsarbeit. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der russischen Behörden zur Bekämpfung von Zwangsarbeit?

Einstweilen muss man sagen, dass noch keine großen Schritte gegen Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung unternommen werden. Das liegt auch daran, dass wir erst anfangen, das Problem richtig zu erkennen. Vielfach haben wir bis jetzt unseren Schwerpunkt auf Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gelegt. Viele Länder sind davon ausgegangen, dass Arbeitsmigration eben etwas anderes ist. Wir nehmen an, dass mindestens bis zu 40 Prozent der kriminellen Aktivitäten Teil von Arbeitsmigration ist. Das heißt, dass wir uns diesem Problem ernsthaft werden stellen müssen.

Im Unterschied zur Zwangsarbeit haben die russischen Behörden die Gefahr der sexuellen Ausbeutung von Frauen erkannt und in den vergangen zwei Jahren wurden die Gesetze entsprechend geändert. Russische Soziologen weisen aber darauf hin, dass es in Russland viele Frauen gibt, die in der Prostitution im Westen für sich ein lukratives Geschäft sehen und freiwillig in die Netze der Menschenhändler gehen. Welche Gefahren lauern auf diese Frauen?

Ich denke, dass dies sicher ein Irrtum ist. Natürlich gibt es Frauen, die sich einfach Arbeit im Ausland suchen und die dann auch wissen, dass sie vielleicht in der Prostitution arbeiten werden. Aber Menschenhandel ist noch einmal etwas anderes. Menschenhandel ist mit Prostitution nicht gleichzusetzen. Menschenhandel bedeutet, dass Menschen in sklavereiähnliche Situationen gebracht werden, dass sie ihrer Freiheit beraubt werden, dass sie nicht mitentscheiden können, was mit ihnen passiert. Das hat sicher keine Frau von vornherein vor.

Nach Russland werden Sie die Ukraine besuchen. Wie akut ist das Problem des Menschenhandels in diesem Land, das als Ursprungs- und Transitland für "menschliche Ware" gilt?

Das Problem Menschenhandel ist eines der am stärksten globalisierten kriminellen Geschäfte. Alle Länder sind davon betroffen, sowohl die westeuropäischen als auch Staaten wie Russland, die Ukraine und andere. Sie sind zum einen betroffen als Ursprungsland, vielfach auch als Zielland und meistens als ein Mix aus allem - als Ursprungsland, Transitland und Zielland. Das Problem ist sicher sehr groß und es ist wichtig, dass alle Länder ihre Hausaufgaben machen. Das heißt, Gesetze entsprechend reformieren, Koordinierungsmechanismen erstellen, Opferschutz anbieten und natürlich auch entsprechend die Menschenhändler und deren Netzwerke versuchen aufzubrechen und die Menschenhändler vor Gericht bringen und verurteilen.

Das Interview führte Andreas Brenner
DW-RADIO/Russisch, 28.6.2005, Fokus Ost-Südost