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Meister auf dem Rückzug

Martin Schrader16. Mai 2003

Im Zuge der umstrittenen Novellierung der Handwerksordnung will die Bundesregierung auch mit einigen Traditionen brechen. In anderen Ländern Europas ist dies längst geschehen, wie ein Vergleich zeigt.

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In deutschen Autowerkstätten soll fast alles beim Alten bleibenBild: Bilderbox

Nach den Plänen von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sollen künftig rund zwei Drittel der Handwerksberufe jedem Existenzgründer offen stehen. Der Meisterbrief soll ab dem 1. Januar 2004 statt in 94 nur noch in 32 Berufen vorgeschrieben werden, die als "gefahrengeneigt" gelten. Dazu zählen etwa Elektriker, Fahrzeugmechaniker oder Augenoptiker. Aber auch hier sollen Gesellen nach zehn Jahren Berufserfahrung in leitender Position oder bei Anstellung eines Meisters (Aufhebung des Inhaberprinzips) als Selbstständige arbeiten dürfen. Die Zulassung zur Meisterprüfung soll erleichtert werden. Von Kammerbeiträgen sollen Existenzgründer befreit werden.

Kampf gegen die Krise

Die Regierung will damit der Strukturkrise im Handwerk begegnen, Existenzgründungen erleichtern, Arbeitsplätze sichern und Impulse für neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geben. Auch positive Auswirkungen auf die Verbraucherpreise für Handwerksleistungen werden erwartet. Erhofft wird auch ein Abbau von Schwarzarbeit.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks befürchtet durch die Änderungen dagegen Qualitätseinbußen und einen Wegfall von zahlreichen Jobs und 60.000 Ausbildungsplätzen. Der Verband protestierte deshalb gegen die von Wirtschaftsminister Clement angestrebten Änderungen in der Handwerksordnung.

Verbandspräsident Dieter Philipp klagte vor allem über Clements Plan, Handwerkern nach zehn Jahren Berufspraxis einen Rechtsanspruch auf Selbstständigkeit zu erteilen, auch wenn sie keinen Meisterbrief haben. Zu befürchten sei, dass "Zeit vor Qualifikation" stehe. Dies könnte zu Lasten der Kunden gehen. Außerdem sei zu erwarten, dass der "Drang zur Qualifikation" unter den Gesellen schwinde. Es drohe eine Rückentwicklung Deutschlands zu einer Struktur von Kleinstgewerbebetrieben und in ein Selbstständigenproletariat.

Blick zu den Nachbarn

Diese heftige Debatte um die Lockerung des Meisterzwangs in Deutschland ringt den europäischen Nachbarn wohl eher ein Lächeln ab. Denn solche strikten Regelungen der deutschen Handwerksordnung, die Wirtschaftsminister Clement nun reformieren will, sind in Ländern wie der Schweiz und Polen weitgehend unbekannt. Auch das niederländische Wirtschaftsministerium setzt vor allem auf die Kontrolle des Marktes: "Wer keine gute Arbeit leistet, dem laufen die Kunden weg." Selbst die vergleichsweise strengen Vorschriften in Frankreich und Österreich können mit den deutschen nicht mithalten. Die Qualität leidet darunter anscheinend nicht.