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Mein Mann, mein Bauch und ich

Marcus Bösch29. August 2005

Warum bloggen Politiker? Um ihr persönliches Profil zu schärfen. Andrea Nahles (SPD) und Silvana Koch-Mehrin (FDP) machen auch mit. Auf den Mund gefallen sind die beiden nicht. Marcus Bösch testet ihre Blog-Kompetenz.

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Ich will Persönliches. Warum sonst sollte ich Weblogs von Politikern lesen? Presseerklärungen, Verlautbarungen und Manifeste sollen die Damen und Herren gerne auf ihre Websites stellen. Im Blog will ich unmittelbar teilhaben, will das Gefühl haben, mit dabei zu sein. Ich will unterhalten werden und herausfinden, mit wem ich es da zu tun habe.

Wer sind die beiden?

Einfach ist das nicht. Die rechte Melange aus Persönlichem und Fachlichem, unterhaltsam und aktuell präsentiert, findet man beim Rundum-Click kaum. Sind die beiden hier präsentierten Volksvertreterinnen eine Ausnahme? Fast täglich berichten Andrea Nahles ("Von Herzen links") und Silvana Koch-Mehrin ("Eurofighter") seit Anfang Juli bzw. Juni im Weblog von Focus Online. Wer sind die beiden? Und was wollen sie mitteilen?

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"In Brüssel kämpft die 34-Jährige für ein Europa der Bürger": Dr. Silvana Koch-Mehrin ist "das europäische Gesicht der FDP". Viele kennen Sie allerdings eher als die mit dem Baby-Bauch. Den streckte sie nämlich im März 2005 dem Fotografen der Illustrierten "Stern" entgegen. Ein "dramatisches Zeichen der Emanzipation" soll das nach Eigenangaben gewesen sein. Im Blog hingegen: kein einziges Foto, kein einziger bebilderter Eintrag. Eine bewusste Entscheidung?

Boxen und Bücher lesen

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Ganz anders Andrea Nahles. Die "Wortführerin der SPD-Linken" bebildert ihre Einträge reichlich. Am schönsten ist das, wenn sie selbst zu sehen ist: Als Sternensinger, als Blumenempfängerin oder als Hobby-Boxerin.

Die restlichen Bilder wirken leider recht willkürlich und sehen aus wie trauriges Agenturmaterial.

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Über Parteigrenzen hinweg, haben die beiden Damen übrigens offenbar gleiche Vorlieben und Interessen. Wer die Blogs aufmerksam liest, erfährt sensationelle Details aus dem Leben deutscher Nachwuchs-Politikerinnen. Beide berichten unabhängig voneinander, dass sie ab und zu ein Buch lesen, mitten im Leben stehen, es nicht immer einfach haben und beide schon mal krank waren. "Seit einiger Zeit beschäftigt mich ein Buch", schreibt beispielsweise Nahles. Und Koch-Mehrin? Die "stöberte neulich in einem Buch". Wow, nicht schlecht.

Image versus Image

Umtriebig sind die beiden Damen auch. Darauf legen sie gesteigerten Wert. Während Nahles "oft am Tresen in der Kneipe" steht, redet Koch-Mehrin "jeden Tag mit mindestens 50 Menschen". Echter Einsatz im Dienste des deutschen Volkes. Das hört sich beliebig an? Und sagt nichts aus? Mag sein. Aber wer hat schon Lust, wirklich persönliche Details mit dem unbekannten Internet-User zu teilen? "Das hier ist ein Blog, da schreibt man was man denkt", bemerkt zwar Theo Gottwald im Kommentarberteich von Silvana Koch-Mehrin. Echt und persönlich wirkt das alles aber nicht.

Kann es auch gar nicht. Schließlich sind die Blogs Bestandteil des Wahlkampfs. Und der handelt nicht von "dem, was man denkt", sondern von dem, was man gern hätte, dass es gedacht wird.

Provokant, sportlich und engagiert

Dementsprechend gibt sich FDP-Silvana provokant und sportlich ("Ich hätte mir diesen Wahlkampf feuriger vorgestellt"). Sie beleidigt den politischen Gegner ("die textile Verirrung von Claudia Roth") und gibt sich als Prima-Familienmensch, inklusive Traummann James, der sogar sein Rugby-Training ausfallen lässt, um auf die Kinder aufzupassen. Kapitalismus-Kritikerin Nahles gibt sich menschennah, selbstkritisch ("fürchte, wir geben derzeit kein tolles Bild ab") und engagiert ("zu den Menschen hin gehen und zuhören"). Wer die beiden wirklich sind? Das steht nicht im Blog.