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0,02 Prozent-Sieg

22. November 2008

Die frühere Arbeitsministerin Martine Aubry wird die erste Frau an der Spitze der französischen Sozialisten: Mit nur 0,02 Prozent Vorsprung siegte sie in der Urabstimmung über Ségolène Royal. Nun droht eine "Explosion".

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Martine Aubry, Quelle: AP
Martine AubryBild: AP

Die ehemalige französische Arbeitsministerin Martine Aubry hat die parteiinterne Abstimmung über den Vorsitz bei den Sozialisten (PS) nach offiziellen Angaben mit hauchdünner Mehrheit gewonnen. Auf die Bürgermeisterin von Lille, die ihre Partei links verankern will, entfielen 50,02 Prozent der Stimmen. Die frühere Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal, die für eine Öffnung zur Mitte und einen harten Generationenwechsel geworben hatte, erhielt 49,98 Prozent, gab die Parteiführung am Samstagmorgen (22.11.2008) in Paris bekannt. Demnach erhielt Aubry 42 Stimmen mehr als ihre Kontrahentin. Insgesamt gaben nach Parteiangaben 137.000 der rund 230.000 Mitglieder ihre Stimme ab.

Stundenlanges Chaos

Der Bekanntgabe der Entscheidung war ein stundenlanges Chaos vorausgegangen. Bis zum frühen Samstagmorgen hatte die Partei keinen offiziellen Sieger verkünden können. Das denkbar knappe Ergebnis heizte den Streit zwischen den Gegnerinnen nach einmal dramatisch an. Royal stellte die Auszählung in der Nacht in Frage und forderte eine Wiederholung der Urabstimmung am kommenden Donnerstag. "Man hat mir den Sieg gestohlen", erklärte die Präsidentin der Atlantik-Region Poitou-Charentes. Aubry erklärte daraufhin, es gebe keinen Anlass für eine dritte Wahlrunde. "Wir stehen am Rande einer Explosion", sagte ein Führungsmitglied der Partei.

Ségolène Royal will sich nicht geschlagen geben, Quelle: AP
Ségolène Royal will sich nicht geschlagen gebenBild: AP

Schon vor der Bekanntgabe des Auszählungsergebnisses beanspruchten die verfeindeten Lager von Aubry und Royal jeweils den Sieg für sich. Aubry könne "nicht mehr geschlagen werden", sagte der Abgeordnete Claude Bartolone mehrere Stunden vor der Erklärung der Parteileitung zum Ausgang der Urwahl. Royals Vertrauter Manuel Valls erklärte hingegen, der Sieg der früheren Präsidentschaftskandidatin sei "unausweichlich".

Krisensitzung der Führung

Der nach elf Jahren scheidende Parteichef François Hollande werde eine Krisensitzung des PS-Nationalrats einberufen, teilte die Parteileitung weiter mit. Bei der Sitzung soll voraussichtlich am kommenden Mittwoch über die Kritik an dem Wahlverfahren beraten werden. Die Führungsgremien der Partei stehen mehrheitlich auf der Seite der 58-jährigen Aubry. Für die 55-jährige Kontrahentin Royal ist der Kampf um den Parteivorsitz zugleich eine Etappe bei einem nochmaligen Versuch, Staatspräsidentin zu werden. Royal hatte erkennen lassen, dass sie sich im Jahr 2012 erneut um das höchste Staatsamt bewerben will. Im vergangenen Jahr unterlag sie gegen den konservativen Kandidaten Nicolas Sarkozy.

Hier wählt Benoît Hamon vermutlich noch sich selbst, Quelle: AP
Hier wählt Benoît Hamon vermutlich noch sich selbstBild: AP

Bereits seit dem frühen Freitagmorgen hatte festgestanden, dass die PS erstmals in der Geschichte von einer Frau geführt wird. Im ersten Wahlgang mit drei Kandidaten war Benoît Hamon (41) vom linken Parteiflügel ausgeschieden. Royal hatte knapp 43 Prozent der Stimmen bekommen, auf Aubry entfielen knapp 35 Prozent. Hamon hatte dann eine Empfehlung zu Gunsten von Aubry abgegeben. Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë hatte seine Kandidatur schon zurückgezogen, nachdem die Delegierten sich auf einem Parteitag am vergangenen Wochenende nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen konnten.

Die französischen Sozialisten sind seit langer Zeit tief zerstritten. Die PS gehört wie die deutsche SPD der Sozialdemokratischen Partei Europas an. Sie ist auf nationaler Ebene derzeit stärkste Oppositionspartei in Frankreich. Die Wahl des PS-Parteivorsitzenden gilt auch als Vorentscheidung über die Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2012, bei der Präsident Sarkozy so gut wie sicher wieder antreten wird. (stu)