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Mad Max im Suff

Udo Bauer16. Januar 2003

Alle Jahre wieder verfallen die Amerikaner in ein kollektives Heulen und Zähneknirschen wegen steigender Benzinpreise. Doch daran ist nur zum Teil das Kriegsgetrommel der eigenen Regierung Schuld.

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"Oh my god!" - das ist der amerikanische Standard-Seufzer, und er gilt in letzter Zeit fast immer den Preisschildern an den Tankstellen. In der Tat hat sich der Spritpreis in wenigen Wochen deutlich um sieben bis zehn Prozent verteuert, an meiner Lieblings-Tankstelle im Washingtoner
Vorort Falls Church zum Beispiel von 1,35 auf 1,45 Dollar.

Das, wohlgemerkt, ist nicht der Preis pro Liter, sondern pro Gallone, also knapp vier Liter. Als steuergeplagten Mitteleuropäer kann einen diese amerikanische Empörung und der schnelle Ruf danach, die nationale Ölreserve anzuzapfen, auf den ersten Blick nur wundern. Zumal die Gründe für den Preisanstieg "die Staatskrise in Venezuela" und die 'Kriegsfantasien' der Ölmärkte" klar nachvollziehbar sind in der Gemengelage zwischen Angebot und Nachfrage.

Krieg auf Amerikas Straßen

Doch ganz vielen US-Bürgern tut die Preiserhöhung tatsächlich weh. Die Rede ist von den Millionen Besitzern von so genannten SUVs. Gesprochen wird dieser Autotyp "Es-Ju-Vi" - kurz für Sport Utility Vehicle. Die deutsche Sprache ist wenig geeignet, kurz zu erklären, was das eigentlich ist. Lassen Sie es mich versuchen: ein luxuriös ausgestatteter, übermotorisierter, übergewichtiger Pseudo-Geländewagen mit unstillbarem Durst auf Hochoktan-Benzin (bis zu dreimal mehr als ein europäischer Mittelklassewagen). Mein Kürzelvorschlag daher: SUFF.

Ganz Amerika ist mittlerweise dieser SUFF-Sucht verfallen. Die Wuchtbrummen dominieren das Straßenbild derart, dass man sich als Kleinwagenfahrer vorkommt wie ein Fußsoldat
inmitten einer Panzerschlacht - nach dem Motto: Klein, aber Al Alamain!

So, dieser Vergleich ist Ihnen zu martialisch? Hören wir doch mal, was ein Berater der US-Autoindustrie, Clotaire Rapaille, dazu sagt: "Da draußen auf der Straße ist Mad Max unterwegs. Wir befinden uns im Krieg, und in den Krieg ziehen will ich nicht mit einem Kleinwagen!"

Zwang zur Aufrüstung

Mittlerweile sehen sich auch die friedlichen, kinderlieben US-Mütter gezwungen "aufzurüsten". Sicherheit ist das Hauptargument der Frauen bei ihrer Kaufentscheidung, hinzu kommt, dass die SUVs auch mehr als genug Platz bieten für Kinder und Großeinkäufe. Eine trügerische Sicherheit, wie viele Unfallstudien gezeigt haben. Denn die SUVs haben einen hohen Schwerpunkt und neigen bei Zusammenstößen und platzenden Reifen dazu, sich gnadenlos zu überschlagen.

Dennoch setzt die Autoindustrie weiterhin auf die Blechmonster, wie momentan auf der Detroit Auto Show eindrucksvoll zu sehen ist: Immer mehr Zylinder (bis zu V-16), immer mehr PS (bis zu 500), immer höherer Spritverbrauch (bis zu 26 auf 100 km).

Aber mit dieser Fahrzeuggattung können die US-Konzerne noch richtig Reibach machen: Geringe Entwicklungskosten wegen veralteter Technik stehen einer irrationalen Bereitschaft der Kunden gegenüber, für einen solchen energieverschwendenden Schund auch noch viel Geld auszugeben.

Auch Jesus fährt SUV

Nur durch Verblendung ist zu erklären, warum Kampagnen gegen die wahren "Achsen des Bösen" im Sande verlaufen, obwohl sie gerade nicht von Endzeit-Apologeten oder Öko-Aposteln geführt werden, denen in Amerika ja sowieso niemand zuhört. Vor einiger Zeit machte eine recht intelligente Anti-SUV-Kampagne kurzzeitig von sich reden, die die provozierende Frage stellte "Welches Auto wuerde Jesus fahren?".

Sogar die Medien berichteten darüber, aber nur, weil ein paar Fernsehprediger von der religiösen Rechten aus ihren SUVs heraus "Blasphemie, Blasphemie!" riefen. Ein Vertreter der Automobilindustrie aber machte sich die Mühe, die Frage zu beantworten.

Natürlich würde Jesus heutzutage einen SUV fahren, meinte er. Denn erstens ist die Wüste Juda optimales Offroad-Terrain und zweitens brauchte er von Berufs wegen auch ein Auto mit viel Platz. Schließlich war er Schreiner!