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Libyen am Ende der diplomatischen Eiszeit

29. Juni 2004

Nach Großbritannien und der EU reichen auch die USA dem libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi symbolisch wieder die Hand. Für den einst international geächteten Gaddafi bedeutet dies einen großen diplomatischen Erfolg.

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Zurück in der internationalen Politik: Muammar el GaddafiBild: AP

Die USA haben nach 24 Jahren wieder diplomatische Beziehungen zu Libyen aufgenommen. Dies wurde am Montag (28..06.2004) in Tripolis von Staatssekretär William Burns und in Washington vom US-Außenministerium bekannt gegeben. Burns weihte in der libyschen Hauptstadt ein neues Verbindungsbüro der US-Regierung ein. Burns, der mit dem libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi zusammengetroffen war, würdigte auch den Einsatz Libyens bei der Hilfe für die Menschen in der sudanesischen Region Darfur.

Allmähliche Entspannung

Die Ankündigung von der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen kam völlig überraschend, zumal das US-Außenministerium vorher erklärt hatte, es gehe Berichten nach, wonach Gaddafi sich an einem Komplott zur Ermordung des saudi-arabischen Kronprinzen Abdullah beteiligt habe. Burns erklärte, er habe mit Gaddafi über die Vorwürfe gesprochen, wollte sich zu deren Plausibilität aber nicht eindeutig äußern: "Wir haben nicht genug, um ein endgültiges Urteil zu fällen, weder in der einen noch in der anderen Richtung", sagte er.

Die jahrelange Eiszeit zwischen den USA und Libyen war in den vergangenen Monaten einer allmählichen Entspannung gewichen, nachdem Libyen sich im Dezember zur Aufgabe seines Programms für Massenvernichtungswaffen bereit erklärt hatte. Libyen wird vom US-Außenministerium aber weiter auf der Liste der Staaten geführt, denen die Unterstützung von Terroristen vorgeworfen wird. Dennoch haben die USA bereits alle Handelssanktionen gegen das Land aufgehoben.

Verantwortung für Anschläge

Gaddafi und Prodi, EU
Gaddafi bei Eu-Kommissions-Präsident ProdiBild: AP

Für zwei Anschläge hat Libyen mittlerweile die Verantwortung übernommen: Offiziell bekannte sich das Land zum Anschlag auf ein amerikanisches Passagierflugzeug über der schottischen Ortschaft Lockerbie, bei dem im Jahr 1998 270 Menschen ums Leben kamen. Den Hinterbliebenen wurden 2,7 Milliarden Dollar zugesprochen. Zudem erklärte sich Tripolis bereit, die Opfer des Anschlags auf die Berliner Discothek "La Belle" zu entschädigen, bei dem 1986 drei Menschen starben und über 200 verletzt wurden. Das Berliner Landgericht hatte im November 2001 den libyschen Geheimdienst für die Tat verantwortlich gemacht.

Im April war Gaddafi bereits mit allen Ehren von der EU-Kommission in Brüssel empfangen worden. Als der brüderliche Führer und Revolutionslenker - so Gaddafis offizieller Titel - vor der EU-Kommission im schneeweißen 600er Mercedes vorfuhr, feierten ihn seine Anhänger mit nordafrikanischer Musik und schwenkten grüne Fähnchen.

Churchill und Blair

Blair und Gaddafi, Libyen
Blair und GaddafiBild: AP

Auch Großbritannien ist diplomatisch bereits auf den vormals international geächteten Gaddafi zugegangen. Am 25.3.2004 reiste Premierminister Tony Blair nach Tripolis und besuchte Gaddafi in einem Beduinenzelt. Die beiden reichten sich dort freundschaftlich die Hand und signalisierten, dass sie vorherige Differenzen zu den Akten legen wollten. Der letzte britische Premier vor Blair, der sich auf diesen Weg gemacht hatte, war Winston Churchill - während des Zweiten Weltkriegs. (mas)