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Leere Lager

Kristin Helberg 4. April 2003

Seit über zwei Wochen herrscht Krieg im Irak. Zu den Opfern der US-Bombardierungen zählen auch Zivilisten. Trotzdem scheinen die Iraker ihr Land nicht verlassen zu wollen. Eindrücke von der syrisch-irakischen Grenze.

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Ein Flüchtlingslager an der syrisch-irakischen GrenzeBild: AP

Bislang sind nur vereinzelt Flüchtlinge über die Grenzen des Iraks in die Nachbarländer gekommen. Internationale Hilfsorganisationen hatten mit Hunderttausenden von Flüchtlingen gerechnet, und sich in den angrenzenden Ländern auf einen großen Ansturm vorbereitet. Jetzt wird die Hilfe wohl vor allem im Irak selbst gebraucht. Über den syrisch-irakischen Grenzübergang At Tanf fahren zurzeit mehr Menschen in den Irak, als Iraker, die nach Syrien wollen. Trotzdem errichten die Syrer dort eine Zeltstadt für rund 5000 Flüchtlinge – sie wollen vorbereitet sein, falls die Menschen doch noch kommen.

Strom und Wasser

Wie sieht es an der syrisch-irakischen Grenze aus? Ein paar Eisenstangen, eine große beige Zeltplane – Salim und Raschid machen sich an die Arbeit und bauen Zelte auf. Zehn Minuten brauchen sie pro Zelt, denn heute ist es windstill in der syrischen Steinwüste. Die schwarz asphaltierte Straße, die durch das Camp führt, riecht nach frischem Teer. Rechts und links stehen etwa hundert Zelte. Seit neun Tagen sind die beiden Männer hier. Sie haben das Material beschafft, Zelte aufgebaut und sauber gemacht, Strom und Wasser, Essen und Heizöfen organisiert.

Wenn die ersten Flüchtlinge aus dem Irak nach Syrien kommen, soll es ihnen an nichts fehlen. Matratzen, Medikamente, Toiletten – alles sei unterwegs. Raschid ist froh, dass er etwas tun kann, vor dem Fernseher zu sitzen, macht ihn wütend und traurig: "Hoffentlich lassen uns die Alliierten bald in Frieden, wir brauchen keine Invasoren hier. Gott wird den Unschuldigen beistehen und die Schuldigen bestrafen."

Pendelverkehr zwischen Damaskus und Bagdad

Der junge Mann sieht hinüber zum Grenzübergang. Dort kommt ein Auto aus dem Irak an, ein amerikanischer Chevrolet, weiß-orange lackiert. Diese Sammeltaxis pendeln zwischen der syrischen Hauptstadt Damaskus und Bagdad, aber im Moment trauen sich nicht viele Fahrer auf die Strecke, sagt Munir Al Ali vom syrischen Informationsministerium, der bei der Journalistin ist. Vergangene Woche hätten die Amerikaner einen syrischen Bus bombardiert und fünf Arbeiter getötet, 140 Kilometer von hier entfernt.

Syrien hat durch den Krieg seinen wichtigsten Exportmarkt verloren. Zurzeit fahren kaum Lastwagen über die Grenze, sagt ein Zollbeamter. Sie kommen nicht weit - wie der große Transporter mit Bauholz, der hinter dem Grenzhäuschen parkt. "Das ist nur einer von vielen, die für die Vereinten Nationen Material in den Irak liefern wollten. Aber seit dem Bombenangriff ist die Straße kaputt, der Fahrer musste umdrehen", sagt der Grenzbeamte.

"Der Irak ist unsere Heimat"

Kleinere Autos wie das Sammeltaxi scheinen den zerstörten Abschnitt passieren zu können. Der Fahrer hat sein Fenster heruntergekurbelt und erzählt von amerikanischen Panzern, die sie unterwegs gesehen hätten. Auf der Rückbank sitzen zwei Frauen und ein kleiner Junge. Vor sechs Stunden seien sie in Bagdad aufgebrochen, sie wollten weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate, wo ihre Kinder studierten. Aber Flüchtlinge seien sie nicht.

"Der Irak ist unsere Heimat, die verlassen wir nicht. Wir haben keine Angst vor dem Krieg, wir Frauen nicht und die Kinder auch nicht. Das irakische Volk wird kämpfen. Wir holen nur unsere Kinder in den Emiraten ab, dann fahren wir alle zusammen zurück nach Bagdad", sagen sie. Zum Beweis zeigen die Irakerinnen auf ein paar Plastiktüten – ihr einziges Gepäck. Al Ali vom syrischen Informationsministerium zeigt sich nicht überrascht. Er rechnet nicht mit vielen Flüchtlingen: "Araber werden immer ihre Häuser und ihr Land verteidigen. Und ich glaube, die Iraker fühlen das genau so."

Iraker brauchen kein Visum

Im Moment würden mehr Leute in den Irak fahren, als Iraker nach Syrien kämen, sagt der Pressereferent. Der syrische Grenzbeamte daneben nickt zustimmend. Er kontrolliert nur die Pässe der Iraker, ein Visum brauchen sie nicht. Auch der irakische Grenzposten vier Kilometer weiter mache keine Schwierigkeiten, erzählen die beiden Frauen, sie hätten weder eine Ausreisegenehmigung gebraucht noch sonst etwas bezahlen müssen.

Das Taxi fährt weiter in Richtung Damaskus, drüben im Camp widmen sich Salim und Rashid dem nächsten Zelt. "Wir warten hier auf die Flüchtlinge. Wenn Verletzte kommen, bringen wir sie ins Krankenhaus. Der Rest liegt in Gottes Hand. Auf jeden Fall bleiben wir hier, bis der Krieg vorbei ist", sagen beide Männer.