1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kurdischer Einfluss statt Abspaltung

Daphne Antachopoulos7. Februar 2005

Endlich ein eigener Staat - das Ziel der Kurden scheint nach dem Wahlsieg im Irak näher gerückt. Ankara, aber auch die Minderheiten im Nordirak fürchten sich davor. Doch wie realistisch ist ein Staat Kurdistan?

https://p.dw.com/p/6Cdf
Feiernde Kurden im nordirakischen ErbilBild: AP

"Jeder Schritt, der die türkischen Rechte nicht berücksichtigt, wird nur zum Ergebnis haben, dass das Feuer in der Region wieder angefacht wird", donnerte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nach der Wahl im Irak. Da waren gerade erste inoffizielle Ergebnisse durchgesickert: 70 Prozent und damit die absolute Mehrheit für die Kurden im Regionalparlament des nordirakischen Kirkuk. Es ist die uralte Angst der Türken vor den Autonomie-Bestrebungen der irakischen Kurden.

Uralte Träume - und die Realpolitik

Karte Kurdistan Kurdengebiete
Kurdengebiete über die Grenzen hinwegBild: APTN

Bestrebungen, die auch die unterdrückten türkischen Kurden anstecken könnten. Ziel: Ein neues Kurdistan? Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker glaubt nicht daran: Selbst wenn die kurdische Bevölkerung sich dies wünscht, die politische Führung der Kurden sieht die Lage realistisch. Massud Barsani, der Vorsitzende der Kurdistan Democratic Party (KDP) und Dschalal Talabani, sonst eher Gegner, hatten sich vor der Wahl realpolitisch zusammengeschlossen. Einen selbstständigen Staat streben sie scheinbar nicht an.

Kein Staat Kurdistan

Talabani machte schon jetzt - nach der für die Kurden erkennbar erfolgreichen Wahl - sogar Ansprüche auf das Amt des irakischen Präsidenten oder Regierungschefs geltend: Ein Zeichen, dass die Kurden mehr Einfluss im Irak haben wollen, als dass sie die Abspaltung anstreben.

Je demokratischer die Entwicklung im Irak sich nach den Wahlen gestaltet, desto schwieriger werde es für einzelne Gruppierungen, sich abzuspalten, glaubt Heinz Kramer von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Im Übrigen unterstützen weder die USA, noch die Nachbarländer Syrien und Iran ein solches Vorhaben.

Verbales Säbelrasseln aus Ankara

Recep Tayyip Erdogan
Erdogan verschafft sich GehörBild: AP

Das traditionelle verbale Säbelrasseln aus Ankara hat nach Kramers Ansicht zwei Gründe: Zum einen will Ministerpräsident Erdogan die Wähler hinter sich vereinen - vor allem die kleine sunnitische Minderheit, die noch den alten osmanischen Traum vom Territorium im ölreichen Nordirak träumt. Auch wenn eine militärische Intervention der Türken im Irak vollkommen unrealistisch, weil viel zu gefährlich wäre.

Doch die scharfen Äußerungen Erdogans seien auch eine Botschaft, meint Kramer: Ein loser Staatenbund von ethnisch oder religiös definierten Bundesstaaten mit einem starken, kurdischen Nordirak, der sich jederzeit separieren könnte, werde nicht akzeptiert. Ziel nicht nur der Türken ist es, einen national zusammenhängenden, integralen Irak zu schaffen.

Irak Kurdistan Flagge Nowruz Neujahrsfeier
Nordirakische Kurden hissen am Neujahrstag ihre FlaggeBild: AP

Für den Nordirak bedeutet das: Alle Bevölkerungsgruppen im Nordirak - unter anderem Schiiten, Sunniten, Turkmenen, Assyrochaldäer und Kurden - müssen rechtlich ausbalanciert zusammenleben.

Vielvölkerstaat Irak

Und damit läge Erdogan mit seinem Drohszenario gar nicht so falsch, glaubt Tilman Zülch: Wenn die kurdische Mehrheit im Nordirak die Rechte der Minderheiten nicht festschreibt und respektiert, könnte das Feuer in der Region wieder entfacht werden.