Kunst auf der Postkarte
Schreibt man heute mal eben eine SMS, nutzte man vor 100 Jahren selbstgestaltete Postkarten, um von unterwegs von sich hören zu lassen. Zu den Pionieren der Karten-Maler gehört die Künstlergruppe "Brücke" aus Dresden.
"Sind angekommen, endlich Sommer!"
Solche oder ähnliche Kurznachrichten schickt man heute per SMS, Twitter oder Facebook. Anfang des 20. Jahrhunderts lief das noch anders: Damals übernahmen Postkarten diese Funktion. Wer kreativ war, gestaltete sie selbst – so wie die Künstlergruppe "Brücke" aus Dresden. Auf den Karten verewigten sie Momentaufnahmen wie diese hier: "Sich Sonnende am Strand" von Max Pechstein.
"Correspondenzkarte" ab 1870
Auf der einen Seite Adresse und Briefmarke, auf der anderen teilten sich Bild und Schrift den Platz - ähnlich dieser Karte des Künstlers Karl Schmidt-Rottluff. 1905 erlaubte die Deutsche Reichspost Schrift auch auf der Adressatenseite, das Bild bekam mehr Raum. Die "Correspondenzkarte" gibt es in Deutschland seit 1870. Sie war schnell beliebt: 1879 wurden jährlich 120 Millionen Karten ausgetragen.
Urlaubsgrüße von Künstlern
Eine bedruckte Postkarte zu kaufen, wie es sie um 1900 schon gab, kam für die Künstler wohl kaum in Frage. Max Pechstein schreibt 1928 auf der Rückseite dieser Karte: "... Es regnet, und es ist kalt, also Angeln! Und dann werden die Fische gemalt und gegessen …" Dazu hat sich der Künstler hier gleich selbst beim Angeln verewigt.
Schneller Kunstversand um 1900
"Die Postkarten zeigen, was die Brücke-Künstler interessierte: spontan sein, auf den Punkt kommen, ohne Umwege Ideen auf die Leinwand bringen", sagt Karsten Müller, Kurator der Ausstellung "Besten Gruß... Künstlerpostkarten der 'Brücke'" im Ernst Barlach Haus in Hamburg, die viele dieser Mini-Kunstwerke zeigt, die von den Künstlern auch als handliches Medium zum Kunstversand genutzt wurden.
Postkarten zeigen die Themen der Künstler
Alles, was die Künstler auf großer Leinwand darstellten, findet sich auch auf den Postkarten: Akte unter freiem Himmel und im Atelier, Bildnisse, Landschaften oder Zirkus, Theater und Varieté. Bei Aktdarstellungen verzichteten die Künstler auf Profimodelle, um unverbildete Natürlichkeit zu zeigen. Dieses sitzende Nachbarsmädchen skizzierte Karl Schmidt-Rottluff 1910 in seinem Atelier.
Erschreckte Postboten
Die Karten waren Unikate, manche dienten aber auch als Skizzenblatt für spätere Gemälde. So findet sich diese Badende (rechts) von Ernst Ludwig Kirchner in einem Ölbild von ihm wieder. "Der Postbote in der wilhelminischen Kaiserzeit war sicher entsetzt, wenn er solch eine Karte in die Hände bekam", sagt Kurator Karsten Müller. "Außerdem galten die Brücke-Künstler damals ohnehin als Schmierfinken."
SMS per Post
"Gefragter Besuch sehr willkommen. Herzl. Gruß S-R", schreibt Karl Schmidt-Rottluff 1910 an Rosa Schapire. Die Postkarte von damals war so etwas wie die SMS von heute. Mit ihr wurden auch kurzfristige Verabredungen getroffen - die häufige Postaustragung machte dies möglich. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam die Post in Städten zwei bis drei Mal am Tag, in Großstädten sogar noch häufiger.
Wichtige Quellen für Kunsthistoriker
Von den Adressaten wurden die Karten offenbar schon damals wertgeschätzt. So sammelte die "Brücke"-Förderin Rosa Schapire alle Postkarten. Sie bilden heute den Grundstock für das Berliner Brücke-Museum. Für Kunsthistoriker sind die Postkarten wichtiges Quellenmaterial zum Schaffen, Leben und Alltag der Künstler. Durch den Poststempel lassen sich etwa Datierungsfragen leichter klären.
"Vielen Dank für die schönen Tomaten"
Dangast an der Ostsee war bei Künstlern sehr beliebt. Auf dieser Karte an Rosa Schapire hat Karl Schmidt-Rottluff 1910 ein Bauernhaus gemalt. Auf der Rückseite unterschrieb auch die Malerin Emma Ritter und bedankt sich für die "schönen Tomaten" aus einem Präsentkorb. Die Ausstellung im Hamburger Ernst Barlach Haus ist noch bis zum 29. September zu sehen.