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Kulturschaffende fordern Erhalt Thomas-Mann-Villa

Stefan Dege14. August 2016

Hier schrieb Thomas Mann seinen Roman "Doktor Faustus". Hier entstanden "Lotte in Weimar" und andere berühmte Bücher des Literatur-Nobelpreisträgers. Jetzt droht der einstigen Mann-Villa in Kalifornien der Abriss.

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Von Bäumen umgeben: Ansicht der Thomas Mann-Villa bei Los Angeles (Foto: Imago/PEMAX)
Exil-Heimat von Thomas Mann: Die Villa in LABild: Imago/PEMAX

1550 San Remo Drive in Pacific Palisades - Literaturkennern ist die Adresse an Kaliforniens Sonnenküste natürlich ein Begriff. Wohl deshalb bewirbt die #link:http://www.zillow.com/homedetails/1550-San-Remo-Dr-Pacific-Palisades-CA-90272/20546490_zpid/:Immobilienagentur Coldwell Banker Residential Brokerage# das 15-Millionen-Objekt zwar mit blumigen Worten, doch ohne den prominenten Erstbesitzer auch nur mit einem Wort zu erwähnen: Denn Thomas Mann wohnte hier von 1942 bis 1952. Er ließ die Villa von dem aus Breslau stammenden Architekten Julius Ralph Davidson bauen, der ebenfalls in die USA ausgewandert war. Der Literatur-Nobelpreisträger aus Deutschland hatte seine Heimat 1938 verlassen. In den USA wurde er Oberhaupt des intellektuellen Exils. "Wo ich bin, ist Deutschland", ließ er seine Anhänger wissen.

Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann am Schreibtisch. (Foto: picture-alliance/dpa)
Thomas Mann in seiner kalifornischen VillaBild: picture-alliance/dpa

Büsche, Hecken und Bäume beschirmen das Gelände. Mit seinem flach geneigten Dach duckt sich die Villa unter hohe Palmen, "unauffällig im Vergleich zu den Nachbarbauten, die sich in allen Formen zwischen maurischem Stil und Barockschlösschen austoben" - wie ein Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schon vor Jahren befand. Nicht wirklich modern wirke das Gebäude, trotz der großen Fenster und der glatten Putzwände, keine Wohnmaschine à la Corbusier, aber immerhin sachlich, klar in den Proportionen, ohne Schörkel und Pomp. In Davidsons Bauwerk traf Exil-Literatur auf Exil-Baukunst.

"Deutschland sollte die Mann-Villa kaufen"

Auch aus diesem Grund sollte das Gebäude nach Ansicht von Jürgen Kaumkötter, Kurator am kürzlich gegründeten #link:http://bit.ly/2bsclva:Solinger Zentrum für verfolgte Künste,# unbedingt erhalten werden. Mehr noch: Kaumkötter verlangt, dass der deutsche Staat das Anwesen kauft, um eine Zerstörung der geschichtsträchtigen Villa zu vermeiden.

"Warum richtet man dort nicht eine Begegnungsstätte für junge Literaten ein?", schlägt der Kurator vor, "vielleicht sogar in Kombination mit der Villa Aurora (Villa, in der einst Lion Feuchtwanger lebte, Anmerk. der Red.)?" Wenn Deutschland ein internationales Land sein wolle, müsse es auch Querdenkern einen Raum geben.

Porträt des Kunsthistorikers Jürgen Kaumkötter vom Zentrum für verfolgte Künste in Solingen. (Foto: Fotografin Tina Winkhaus.)
Jürgen Kaumkötter will den Abriss verhindernBild: Tina Winkhaus

Ähnlich sieht das Jürgen Serke, Hamburger Kunst- und Literatursammler und zudem Autor des Standardwerkes "Die verbrannten Dichter". Deutschlands Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sollte sich der Sache annehmen, fordert er. Geld sei genug da. "Ein Abriss wäre blamabel für Deutschland!" Immerhin handelte es sich bei Thomas Mann um den größten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

"Schnell sein", rät Annette Rupp

Tatsächlich liegt die Mannsche Villa nur zwei Canyons südlich der #link:http://www.villa-aurora.org/de/villa-aurora-geschichte.html:Villa Aurora#. In dem palastgleichen, einstigen Wohnhaus Lion Feuchtwangers waren die Manns wie andere Exil-Literaturen häufig zu Gast. Von einem privaten Verein in Berlin vor dem Abriss bewahrt, finanziell vom Bund unterstützt, fungiert die "Villa Aurora" heute als halbamtlicher Gedächtnisort für das deutsche Exil in Kalifornien. Eine Kulturstiftung fördert den deutsch-amerikanischen Dialog. Ähnlich wie in der römischen Villa Massimo dürfen dort Stipendiaten gastieren. "Der Erhalt der Mann-Villa macht Sinn", sagt Annette Rupp vom Förderverein der "Villa Aurora". Gleichwohl dürfe man den Aufwand für Kauf und Unterhalt nicht unterschätzen. Ihr Rat an alle, die für das Thomas-Mann-Haus schwärmen: "Schnell sein!"

Unter Denkmalschutz steht das Gebäude nicht. Dabei sind fast alle Immobilien, die in Thomas Manns Biograpahie eine Rolle spielten, heute erforscht und herausgeputzt - das Sommerhaus in Nida auf der Kuhrischen Nehrung ebenso wie die Klause am Starnberger See oder das Buddenbrook-Haus in Lübeck. Einzige Ausnahme: eben die von Julius Ralph Davidson erbaute Villa am 1550 San Remo Drive in Pacific Palisades.

Das Sommerhaus von Thomas Mann in Nida. (Foto: Peer Grimm, dpa)
Thomas Manns Sommerhaus in NidaBild: picture-alliance/dpa

Bronzetafel erinnert an Thomas Mann

Yorck Förster, freier Kurator am #link:http://www.dam-online.de/portal/de/Start/Start/0/0/0/0/1581.aspx:Deutschen Architekturmuseum Frankfurt#, lobt die hohe künstlerische Qualität des Davidson-Entwurfes. Davidson galt als Hauptvertreter der kalifornischen Moderne. Der deutschstämmige Architekt habe dann, vermutlich um den Wünschen der Manns zu entprechen, "a more gemütlich version of the International Style" realisiert. Der Rechtsanwalt, der es den Manns abkaufte, als sie 1952 nach Europa zurückkehrten, wusste, dass er einen Erinnerungsort deutscher Kultur und Geistesgeschichte besaß. Das belegt eine Bronzetafel mit dem Profil des Dichters an einem Pfeiler der Einfahrt. Sie weist in englischer und deutscher Sprache auf Thomas Manns Exil hin.

Thomas Mann mit Katia, Klaus und Erika (Foto: picture-alliance/akg-Images)
Thomas Mann mit seiner Frau und seinen Kindern (1931)Bild: picture-alliance/akg-images

An jedem Rechner der Welt lässt sich der literaturgeschichtliche Ort derzeit in Augenschein nehmen. Auch im Auswärtigen Amt in Berlin wäre das möglich. Das Ministerium ist zuständig für die Causa Thomas-Mann-Haus. "In Los Angeles verfügt die Bundesrepublik mit der 'Villa Aurora' bereits über eine kulturelle Begegnungsstätte, die ein repräsentatives und sehr erfolgreiches Residenzprogramm für Künstler anbietet", heißt es dort auf Anfrage der Deutschen Welle. "Eine mögliche Übernahme der Thomas-Mann-Villa wird ergebnisoffen geprüft." Mehr darf nicht zitiert werden.