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Kräftemessen auf dem Operngipfel

Annika Schipke25. Juli 2004

Nach einer turbulenten Probezeit eröffnet Deutschlands Provokateur Schlingensief mit seiner "Parsifal"-Inszenierung die Bayreuther Festspiele. Scheitert er mit diesem Mammutprojekt oder schafft er neue Wege?

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Tradition und neue Kunst im Bayreuther FestspielhausBild: AP/Bayreuther Festspiele - Jochen Quast

Verbindungen zwischen den traditionsreichen Festspielen in Bayreuth und dem jungen Wilden der deutschen Kunstszene sind nur schwer zu finden. Deshalb sorgte das Engagement des Enfant terrible im Wagnerhause für die diesjährige "Parsifal"-Inszenierung allgemein für Überraschung.

Katharina Wagner, Urenkelin des Komponisten und Erbin des Festspielthrons, trat an den umstrittenen Regisseur heran. Sie wollte einen neuen Kurs in der Festivalgestaltung einschlagen. Darum bot sie auch Christoph Marthaler und Lars von Trier eine Inszenierung auf dem Gipfel deutscher Opernkunst an. Ihr Vater, Festspiel-Patriarch Wolfgang Wagner, ließ sie gewähren. "Eine wirklich große Tat von Wolfgang Wagner. Denn er weiß ja, was er sich auf den Grünen Hügel holt", meint Dieter Gutknecht, Universitätsmusikdirektor an der Universität Köln.

Zusammenprall der Kulturen

Aber die alten Traditionen lassen sich durch neue Gesichter nicht so einfach brechen. Lars von Trier, als Regisseur für den "Ring der Nibelungen" 2006 vorgesehen, sagte wieder ab. Zu gegensätzlich waren wohl die Wünsche des Dogma-Filmers und des Festspielchefs Wolfgang Wagner. Der hat trotz seines hohen Alters die Festivalleitung noch fest in der Hand. Und er hat seine eigenen Vorstellungen von einer Wagner-Inszenierung.

Auch Schlingensief rannte mit seinen Ideen bei Wolfgang Wagner gegen eine Wand. Mitten in der heißen Probenphase verließ der Regisseur seine Wirkungsstätte, weil er sich in seiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt fühlte. Das "Parsifal"-Projekt schien gescheitert. Doch nach einigen Tagen kehrte Schlingensief zurück. Seitdem kämpfen die Rechtsanwälte der beiden Parteien um die präzise Gestaltung des Werks. Und der Selbstdarsteller und sein Chef üben sich in gegenseitigem Respekt.

Angst eines Unerschrockenen

Also wurde endlich wieder über das eigentliche Anliegen, nämlich die Arbeit, gesprochen. Dabei bekannte Schlingensief gegenüber der Frankfurter Rundschau: "Ich lebe in Angst und Schrecken, dass ich meine Bilder nicht durchsetzen kann." Wenn mit Wolfgang Wagner gut laufe, könne er vielleicht die Hälfte seiner Ideen verwirklichen.

Ein zurechtgestutzter Schlingensief? Von Kettensägenmassakern und "Tötet Helmut Kohl"-Parolen habe er sich verabschiedet, ließ der Regisseur verlauten. Trotzdem rechnet der Musikwissenschaftler Gutknecht mit provokanten Momenten: "Das Publikum wird überfordert sein. Viele werden ihren geliebten Wagner mal ganz anders zu sehen bekommen."

Ein moderner Wagner

Wie viel von Schlingensief in der Inszenierung zu sehen ist, bleibt aber bis zur Premiere am 25. Juli im Dunkeln: Entgegen aller Traditionen fand die Hauptprobe in diesem Jahr unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Abläufe auf der Bühne seien zu komplex und daher noch nicht zuverlässig erprobt, um sie einem Publikum vorzuführen, so lautet das offizielle Statement aus dem Wagnerhaus.

Viele Kritiker sind der Meinung, dass sich mit Schlingensiefs Erfolg oder Untergang in Bayreuth seine weitere Künstlerkarriere entscheidet. Diese Frage stellt sich Dieter Gutknecht nicht. Er glaubt aber noch an eine ganz andere Wendung: "Ich hoffe, Wolfgang Wagner versucht, eine Neudeutung des Opernwerkes anzuregen. Und dass der Ausflug der 93. Festspiele mit Christoph Schlingensief nicht nur ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack ist."