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In London vergiftet?

13. Dezember 2006

In der Giftmordaffäre um den Ex-Spion Litwinenko geht sein Kontaktmann Kowtun davon aus, ebenfalls in London mit Polonium 210 verstrahlt worden zu sein. Deutsche Behörden prüfen derweil illegalen Nuklearschmuggel.

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Ein Mann im Schutzanzug untersucht ein Haus in Schleswig-Holstein (Foto: AP)
Kowtun hinterließ Polonium-Spuren in NorddeutschlandBild: AP

Dmitri Kowtun, einem Schlüsselzeugen in der Litwinenko-Äffäre, geht es besser. In einem Telefon-Interview mit der Sendung "Spiegel-TV"sagte der abgetauchte russische Geschäftsmann und ehemalige Spion, der sich nach eigenen Angaben in einer Moskauer Klinik befindet, am Dienstag (12.12.06): "Meine Werte sind fast normal. Die Ergebnisse sind sehr gut, und ich hoffe, bis Ende der Woche aus dem Krankenhaus entlassen zu werden."

Kowtun in London mit Polonium vergiftet?

Litwinenkos Kontaktmann Dmitri Kowtun (Foto: AP)
Litwinenkos Kontaktmann Dmitri KowtunBild: AP

In der Hamburger Wohnung seiner Ex-Frau, in dem Kowtun übernachtet hatte, hatte die Polizei Spuren von Polonium entdeckt. Kowtuns Aufenthalt in Hamburg war ein Zwischenstopp auf dem Weg von Moskau nach London, wo er am 1. November den inzwischen an Polonium-Strahlung verstorbenen Ex-Agenten Litwinenko traf. Das Polonium muss nach Kowtuns Angaben schon bei einem früheren Treffen in seinen Körper gelangt sein: "Ich kann mir die Polonium-Spuren nur so erklären, dass ich sie aus London mitgebracht habe, als ich mich dort am 16., 17. und 18. Oktober mit Alexander Litwinenko getroffen habe. Die Spuren halten bekanntlich sehr lange, und wenn man anschließend durch die Welt reist, hinterlässt man sie überall." Die Substanz ist außerhalb des Körpers relativ ungefährlich, aber hochgiftig, wenn sie über die Atmung, Nahrung oder eine Wunde aufgenommen wird.

Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt

Kowtun sagte, er fühle sich schuldig, "dass ich soviel Aufregung verursacht habe in Hamburg, meiner Lieblingsstadt." Er habe der deutschen Öffentlichkeit große Probleme bereitet, seine Familie sei selbst stark davon betroffen. Nach Polonium-Funden in ihrer Hamburger Wohnung waren Kowtuns Ex-Frau, ihr Lebensgefährte und ihre beiden Kinder in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Am Dienstag gab das Bundesamt für Strahlenschutz Entwarnung, man habe keine Verstrahlung bei ihnen feststellen können.

Polizisten sperren das Haus von Kowtuns Ex-Frau in Hamburg (Foto: AP)
Polizisten sperren das Haus von Kowtuns Ex-Frau in HamburgBild: AP

Kowtun ist ein Schlüsselzeuge in der Affäre um den Giftmord Litwinenkos und soll auf noch ungeklärte Weise in die Affäre verwickelt gewesen sein. Nachdem an mehreren Orten in Hamburg Polonium-Spuren gefunden wurden, ermittelt nun die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Substanzen. Nachdem sich die Giftmordaffäre mittlerweile auf die drei Länder England, Russland und Deutschland ausgeweitet hat, schaltete sich am Dienstag die internationale Polizeibehörde Interpol ein, um die Ermittlungen der Länder zu koordinieren.

Nuklearschmuggel über Deutschland nach England?

Deutsche Sicherheitsbehörden prüfen derweil mögliche Hinweise auf illegalen Nuklearschmuggel über das Gebiet der Bundesrepublik. "Neben allen anderen Thesen zum Hintergrund dieses Verbrechens nehmen wir auch die Möglichkeit ernst, dass Litwinenkos Tod im Zusammenhang mit Nuklearschmuggel stehen könnte", sagte ein Sicherheitsbeamter der "Berliner Zeitung". Zwar gebe es dafür bislang "keine wirklich belastbaren Indizien", gleichwohl schließe man in Geheimdienstkreisen die Möglichkeit nicht aus, dass das Polonium über Deutschland nach London geschmuggelt wurde, um dort einen Verkauf anzubahnen. Allerdings habe es bisher noch keinen einzigen Fall gegeben, in dem Polonium 210 auf dem Schwarzmarkt angeboten worden sei, weil das Material viel zu teuer sei.

Die Giftmordaffäre soll nun auch Thema für Europas Luftfahrt-Fachleute werden. Die EU-Kommission habe wegen des Transports von gefährlichem Polonium in Passagierflugzeugen die Hauptstädte kontaktiert, sagte Verkehrskommissar Jacques Barrot am Dienstag in Brüssel. "Die Experten müssen sich dieser neuen Risiken wohl annehmen", erklärte der Kommissar nach einem Treffen der EU-Verkehrsminister. (els)