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Wikileaks - wenn Paranoiker Recht behalten

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
9. März 2017

Handys, Tablets, TV-Geräte - all' unsere Lieblingsspielzeuge sind geeignet, uns auszuspionieren. Das belegen die jüngsten Wikileaks-Enthüllungen. Das mag skandalös sein, ist aber nicht neu, meint Martin Muno.

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Angela Merkel mit BlackBerry Z10 Smartphone
Bild: Reuters/F. Bensch

Die neuen Veröffentlichungen der Enthüllungsplattform Wikileaks zeigen in erschreckender Klarheit, wie detailliert der US-Auslandsgeheimdienst CIA versucht, über diverse "smarte" Elektrogeräte unsere private, teils intime Kommunikation ausspähen zu können. Das macht die Verletzlichkeit unserer Privatsphäre abermals deutlich - nach den epochalen Veröffentlichungen Edward Snowdens aus dem Jahr 2013.

Die Erkenntnis, dass wir mittels Handy, Fernsehgerät oder auch Kühlschrank zu Hause von einem "Big Brother" ausspioniert werden können, mögen die meisten als skandalös empfinden. Neu ist sie allerdings nicht. Schon in den 1980er-Jahren gab es eine umfangreiche Debatte zum Datenschutz. Neue Technologien wie der Internet-Embryo BTX oder das Kabelfernsehen kamen damals auf, und zahlreiche Kritiker warnten in teils apokalyptischen Tönen vor einem Zeitalter der Massenüberwachung.

Vom Mega- zum Zettabyte

Das wichtigste Gegenargument lautete damals: Weder eine Armee von Menschen noch die besten Computersysteme könnten auch nur ansatzweise die Menge an Daten sortieren und auswerten, die dabei entstünden. Ein Megabyte war seinerzeit ja eine riesige Datenmenge! Viele Datenschützer wurden damals als rückwärtsgewandte Paranoiker oder Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Was sollte schon passieren?

Heute erleben wir das Ende der Illusionen. Wir wissen, dass auch demokratisch legitimierte Staaten nicht davor zurückschrecken, die eigenen Bürger, Bürger befreundeter Staaten oder auch die Bundeskanzlerin abzuhören. Wir wissen auch, dass es kein Problem mehr ist, gigantische Datenmengen zu durchforsten. Im Bundesstaat Utah errichtete der US-Geheimdienst NSA ein Datenlager, das in der Lage ist, den gesamten Zettabyte-großen, weltweiten Datenverkehr zu speichern und nach definierten Inhalten zu durchsuchen.

"Smart" heißt immer auch verletzlich

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DW-Redakteur Martin Muno

Wir wissen heute auch, dass unsere Geräte uns verraten können, dass "smart" nur ein hipper Euphemismus für verletzlich ist. Und doch leben wir in dem Glauben, uns könne schon nichts passieren. Doch wir können die Menetekel nicht übersehen. Beispiel Amazon Echo, eine kleine, Alexa genannte Säule mit Mikrophon und Lautsprecher, ein leistungsfähiger Computer, der per Stimme gesteuert werden kann.

Laut Anbieter-Werbung versteht sie uns "auch von der anderen Seite des Raumes, sogar in lauter Umgebung oder wenn Musik läuft". Und: "Alexa wird über die Cloud automatisch aktualisiert, lernt ständig dazu und erhält neue Funktionen und Skills." Wer da noch mithören kann, verrät Amazon nicht, aber spätestens seit der Öffnung von "Vault 7" sind der Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt.

Wir haben doch ein Grundrecht...

Die Konsequenz daraus muss eine doppelte sein: Zum einen brauchen wir - auch wenn es naiv klingen mag - einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs über Datenschutz und Datensicherheit. Immerhin ist in Deutschland das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein Grundrecht. Zum anderen sind wir alle gefordert: Der 2008 gestorbene Informatiker Joseph Weizenbaum wurde nicht müde, an unsere Verantwortung zu appellieren: "Ich glaube, der Kern der Sache ist die Leichtsinnigkeit, und vielleicht sollte ich auch sagen, die Dummheit, mit der wir mit Technik überhaupt umgehen."

Sprich: Wer die Software seiner digitalen Endgeräte nicht konsequent updatet, seine Kommunikation nicht weitgehend verschlüsselt und am Ende gar intime Daten freiwillig auf sozialen Netzwerken preisgibt, muss sich nicht wundern, wenn diese Daten irgendwann einmal gegen ihn verwendet werden.

Es geht immer weiter

Und wir sind eigentlich erst am Anfang einer Entwicklung: Dass Daten in die Händen von Geheimdiensten gelangen, ist eine Sache. Aber falls wir uns tatsächlich in einigen Jahren selbstfahrenden, übers Netz gesteuerte Autos anvertrauen sollten, könnte der Begriff Datensicherheit eine neue, körperliche Bedeutung erhalten.

Wir müssen heute zugestehen: Die Paranoiker von damals haben Recht behalten. Heute kann jeder das Menetekel an der Wand lesen. Welche Konsequenzen wir daraus ziehen - jenseits vom Abkleben der Kameras auf unseren Laptops - ist allerdings unklar. Können wir tatsächlich erreichen, dass weltweite Vernetzung und Datenschutz kein Widerspruch sind? Oder müssen wir womöglich auf unsere digitalen Helferlein verzichten?

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Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus