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Weltgericht ahndet Kulturfrevel von Timbuktu

28. September 2016

Weil er die Mausoleen von Timbuktu zerstörte, muss der Malier Ahmad al Mahdi neun Jahre hinter Gitter. Allein deshalb ist der Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegweisend, meint Stefan Dege.

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Mali Timbuktu Zerstörung von Kulturstätte durch islamistische Rebellen
Bild: Getty Images/AFP

Im grauen Anzug, mit Brille auf der Nase, die langen, pechschwarzen Haare zurückgekämmt - so saß Ahmad Al Faqi al Mahdi im Gerichtssaal. Dabei wirkte er eher wie ein Gelehrter als ein Krieger. Aber das war längst nicht das Besondere am Timbuktu-Prozess: Zum ersten Mal nämlich machte das Weltgericht einem Islamisten den Prozess. Zum ersten Mal wurde in Den Haag die Zerstörung von Kulturgütern verhandelt. Und, was entscheidend ist: Erstmals erkannte die internationale Justiz Kulturfrevel als Kriegsverbrechen an.

Nichts anderes war die Vernichtungsorgie mit Hacken und Bulldozern. Sie dauerte vom 30. Juni bis zum 11. Juli 2012. Al Mahdi leitete die islamische Sittenpolizei im malischen Timbuktu, als die mittelalterliche Weltstadt Afrikas zwischen April 2012 und Januar 2013 in der Hand bewaffneter Islamisten war. Er organisierte und leitete die Zerstörung historischer Gebäude, darunter die 16 berühmten Grabheiligtümer. Al Mahdi gab gleich zu Prozessbeginn alles zu. Das machte es den Richtern leicht. Sie kamen schneller als üblich zu einem Urteil. Das Strafmaß überrascht nicht.

Timbuktu war kein Einzelfall

Schließlich muss der Timbuktu-Prozess ein Beispiel geben. Wer erinnert sich nicht an die monumentalen Buddha-Statuen von Bamiyan - gesprengt von den afghanischen Taliban? Oder an die Kämpfer des "Islamischen Staates", die im syrischen Palmyra wüteten? Wer Kulturerbe mutwillig vernichtet, gehört vor Gericht, überall und zu jeder Zeit. Wer wie Ahmad al Mahdi und seine Glaubensgenossen die Hacke gegen Sakralbauten erhebt, zumal aus religiösen Motiven, der darf nicht straflos ausgehen.

Porträt - Stefan Dege
Kultur-Redakteur Stefan DegeBild: DW/K. Dahmann

Die Taliban bekämpften die Buddha-Statuen als "gotteslästerliche Götzenbilder". In Timbuktu zerstörten Islamisten Zeugnisse der großen islamischen Zeit im 16. und 17. Jahrhundert. Die salafistischen Täter beriefen sich auf einen "reinen" Ur-Islam, den es wiederherzustellen gelte. Auch das hat der Richterspruch von Den Haag jetzt gezeigt: Kulturerbe gehört der ganzen Menschheit. Wer Hand daran legt, begeht Kriegsverbrechen. Das darf nicht ungesühnt bleiben.

In Syrien ist Den Haag machtlos

Schön, wenn diese Botschaft auch in Syrien ankäme. Doch die Lage dort ist völlig verfahren. Und selbst wenn er wollte, könnte der Internationale Strafgerichtshof in dem Bürgerkriegsland wenig bewirken: Er ist nicht zuständig, denn Syrien ist kein Mitglied. Die Vereinten Nationen sind machtlos, der Weltsicherheitsrat wegen der russischen Vetos ein zahnloser Tiger, wie der Streit um die Bombardierung von Aleppo zeigt. Dabei wäre der Artikel des Gerichts-Statuts, der im Timbuktu-Prozess zur Anwendung kam, wie geschaffen auch zur Aufarbeitung des Syrien-Konflikts: Er verbietet "vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete". Mithin all das, was die Regierung Assad seit Jahren tut.

So stimmen Prozess und Urteil von Den Haag einerseits hoffnungsvoll. Aber wie weit diese Hoffnung trägt, steht leider in den Sternen.

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