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Flüchtlinge vor der Tür erhöhen den Druck

3. Februar 2016

Vertreter von über 70 Staaten kommen in London zur Syrien-Geberkonferenz zusammen. Es ist schon die vierte. Aus Eigeninteresse sind jetzt Großzügigkeit und Schnelligkeit gefragt, meint Matthias von Hein.

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Kuwait Syrien Internationaler Geberkonferenz Gruppenbild
Bereits im Januar 2014 tagte eine Syrien-Geberkonferenz in KuwaitBild: Reuters

Seit knapp fünf Jahren tobt der Krieg in Syrien, die Intensität der Kämpfe nimmt immer noch zu. Die Folge: die größte von Menschen gemachte Katastrophe der Gegenwart. Man muss die schon oft wiederholten Zahlen noch einmal nennen: eine Viertel Million Tote, eine Million Verletzte, mehr als die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht. Umgerechnet auf die Dauer des Krieges wurden stündlich 50 Familien aus ihren Häusern vertrieben.

Europa hat weggesehen

Lange hat die Welt, hat Europa diesem Leid zugesehen. Es schien weit weg zu sein. So traurig es ist: Erst der massenhafte Ansturm syrischer Flüchtlinge auf Europa hat die desaströse Situation der Opfer des Krieges dort auf die Tagesordnung der internationalen Politik gehoben. Und der Ansturm geht weiter. Trotz des Winters haben im Januar mehr Menschen die gefährliche Überfahrt von der Türkei nach Griechenland auf sich genommen als im Juli vergangenen Jahres bei bestem Reisewetter.

Diese Abstimmung mit den Füßen ist eine schallende Ohrfeige für die Hilfe der internationalen Gemeinschaft in Syrien selbst und seinen Nachbarländern. Neben den sieben Millionen innerhalb des Landes Geflohenen haben rund viereinhalb Millionen Syrer in Jordanien, im Libanon, in der Türkei Zuflucht gefunden. Sie mussten erleben, wie ihre Rationen Jahr für Jahr knapper ausfielen. Da darf man sich nicht wundern, dass die verzweifelten Menschen am Ende alles auf eine Karte setzen, um nach Europa zu kommen. Die Hilfsorganisationen konnten 2015 nur knapp die Hälfte der benötigten Mittel einwerben. Da haben sich viele weggeduckt. Auch die Europäer, vor allem aber auch die reichen Golfstaaten: Die haben zwar offen oder verdeckt dschihadistische Kämpfer unterstützt, zeigten sich bei der Hilfe für die Flüchtlinge aber kleinlich.

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DW-Redakteur Matthias von Hein

Kurzsichtiges Knausern

Wie kurzsichtig das Knausern für die Europäer war, zeigt sich jetzt, wo die Flüchtlingskrise Europa erreicht hat. Miserabel gemanagt bedroht sie den inneren Zusammenhalt der Europäischen Union, sie bedroht den Zusammenhalt der Regierung in Deutschland, sie gibt rechtsextremen und nationalistischen Bewegungen in ganz Europa Auftrieb. Und sie kostet: Allein für dieses Jahr und allein für Deutschland rechnet das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln mit Kosten von 17 Milliarden Euro für die Unterbringung und Verpflegung von 1,5 Millionen Flüchtlingen. Sprachkurse und sonstige Integrationskosten sind da noch gar nicht eingerechnet.

Vor Ort lässt sich mit deutlich geringeren Summen aber sehr viel mehr erreichen. In und um Syrien muss mehr investiert werden, will man den Menschen eine Perspektive geben. Relativ bescheiden wirken da die neun Milliarden US-Dollar, die bei der Syrien-Geber Konferenz in London zusammen kommen sollen. Deutschland hat schon angekündigt, seine Hilfen deutlich zu erhöhen: Auf 1,1 Millionen Euro in diesem Jahr; bis 2018 sollen es 2,3 Milliarden sein. Ein starkles Signal, dem andere jetzt folgen müssen - mutig, großzügig, weitsichtig. Dabei muss es schnell gehen. Wie in jeder Notlage gilt: Schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe. Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Staatengemeinschaft muss massiv in Bildung investieren: Über die Hälfte der syrischen Flüchtlinge ist noch keine 18 Jahre alt. Bildung und Perspektive sind der beste Schutz gegen dschihadistische Rattenfänger.

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Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein