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Überlebenskampf im Libanon

Martin Jay (phi)3. Februar 2016

Regierungsvertreter aus mehr als 70 Ländern treffen sich am Donnerstag zur Syrien-Geberkonferenz. Im Libanon verbrennen syrische Flüchtlinge unterdessen Schuhe - für ein bisschen Wärme. Martin Jay berichtet aus Zahla.

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Libanon, syrisches Flüchtlingslager
Bild: picture-alliance/dpa/W. Hamzeh

Ein kleiner Holzofen steht in der Mitte des Zeltes. Allerdings scheint er schon lange nicht mehr benutzt worden zu sein - es mangelt an Brennholz. Sonst findet sich kein Möbelstück in der Behausung. Nur ein kleiner Fernseher in der Ecke schmückt das Zelt der 15-jährigen Maynayer und ihrer drei Brüder.

"Mein Traum war es, einmal Lehrerin zu werden. Jetzt verschwende ich daran keinen Gedanken mehr", sagt das syrische Mädchen. "Ich kann nur noch daran denken, ob ich jemals meine Familie wiedersehen werde." Ihre Mutter stecke fest in Syrien, sagt Maynayer. "Ich frage mich immer, ob sie wohl zu uns zurückkommt. Alles, was ich will, ist, mit ihr über den Markt zu laufen."

Libanon Flüchtlingslager Zahle
Die 15-jährige Maynayer sorgt für sich und ihre drei BrüderBild: DW/M. Jay

Von rund 90 Euro monatlich müssen Maynayer und ihre Brüder leben. Essen, Miete, Strom und Wasser im kleinen Flüchtlingslager bei Zahla im Osten des Libanon müssen davon bezahlt werden. Das Lager zwischen Ackerland und Industriegebiet trägt keinen Namen, nur eine Nummer. Unterhalb der "Würdegrenze" lebten hier 27 syrische Familien, sagt ein humanitärer Helfer. Es gibt kein fließendes Wasser, keine Toiletten. Um sich warm zu halten, verbrennen die Flüchtlinge, was ihnen geblieben ist. Von den giftigen Dämpfen, die sie beim Verbrennen von Plastik eingeatmet haben, sind viele krank geworden.

Das Geld kommt nicht an

"Nachts stehlen sich die Menschen gegenseitig ihre Schuhe und verbrennen sie in den Heizöfen", erzählt eine junge Helferin. "Es ist einfach nur traurig. Wir hätten nicht gedacht, dass es einmal soweit kommt." Rund 37 Euro pro Kind haben die Flüchtlinge als Heizzuschuss erhalten, offensichtlich nicht genug.

In Beirut will die UNICEF-Beauftragte das Wort "Krise" nicht verwenden. Aber sie spricht davon, dass die Flüchtlinge Opfer der Unterfinanzierung der Hilfsmaßnahmen seien. "In den vergangenen Monaten hat es jedoch eine Anhebung gegeben, wegen der Flüchtlingsbewegungen nach Europa", sagt Tanya Chapuisat der DW. Es komme also Geld ins Land. "Aber am Ende erreicht es nicht diejenigen, die es erreichen soll."

"Das absolute Minimum"

Maria Assi von der libanesischen Hilfsorganisation "Beyond" hält die UN-Bitte um acht Milliarden US-Dollar in diesem Jahr für das "absolute Minimum". 300 US-Dollar brauche jede Familie mindestens, um in Würde leben zu können. "Wenn es so weiter geht wie bisher, dann werden viele Kinder hier unterernährt sein und krank werden."

Libanon Flüchtlingslager Zahle
Brennstoff? Auch Schuhe wandern in den OfenBild: DW/M. Jay

Gefährdet sind auch Ältere. Neben Maynayers Zelt haben drei alte Frauen ihr Lager aufgeschlagen. Sie erhalten keinen Heizzuschuss. Alle drei sagen, dass sie unter Lungenentzündung leiden, weil sie mit Plastikstücken heizen.

Zurück in den Krieg?

Manch einer spricht schon davon, dass das Lagertrauma der Dauerarmut im Libanon langsam das Kriegstrauma der Flüchtlinge aus Syrien überlagere. "Die Spannungen in den Flüchtlingslagern nehmen zu. Die Leute werden immer verzweifelter", sagt George Antoun von der Hilfsorganisation MercyCorps. "Sie verlieren die Hoffnung und versuchen, irgendeinen Weg aus dem Elend zu finden."

Einige junge Männer sprechen deshalb auch von einer Rückkehr in den Krieg, der nur wenige Kilometer weiter östlich tobt. "Ich ziehe das in Betracht", sagt einer von ihnen und zeigt in Richtung der syrischen Grenze. "Was würden wir schon verlieren, wenn wir das hier aufgeben und uns gegen Sold einer der Kriegsparteien anschließen?"