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Olympia - Eine Entscheidung, die keine ist

24. Juli 2016

Russische Sportler dürfen in Rio starten - wenn sie ihren Weltverbänden die Unschuld beweisen. Das IOC schiebt damit die Verantwortung weiter und baut eine goldene Brücke, meint DW-Sportredakteurin Olivia Gerstenberger.

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Schweiz Thomas Bach in Lausanne (Foto: Getty Images/AFP/F. Coffrini)
Bild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Es war die erste große Bewährungsprobe für den deutschen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach - und er hat sie nicht bestanden. Statt eine klare Entscheidung zu fällen, wie mit der russischen Olympiamannschaft verfahren wird, überlässt er dieses den internationalen Sportfachverbänden. Sollen die doch regeln, ob der jeweilige russische Athlet in das Staatsdoping verwickelt war oder nicht! Das ist keine Entscheidung, die ein Hintertürchen offen lässt - das ist eine goldene Brücke nach Rio.

In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten, könnte man meinen und von einer für einzelne unschuldige Sportler gerechten Lösung sprechen. Und so argumentierte Bach tatsächlich: "Die Grundfrage war: Inwieweit kann ein einzelner Sportler für ein System in einem Land zur Verantwortung gezogen werden?", erklärte er und sprach von "Unschuldsvermutung", "strengen Kriterien, die jeder russische Sportler erfüllen muss" und einer guten Entscheidung, "weil saubere Athleten nicht bestraft werden für ein System, in das sie nicht verwickelt waren." Das können sie nun ihren Verbänden beweisen.

Wer aufdeckt, verliert

Aber wie intensiv und wie einheitlich können deren Untersuchungen schon sein? Die einzelnen Kriterien sind nicht eindeutig, es heißt zum Beispiel, es sollen mehrere negative Dopingproben auf internationaler Ebene vorgelegt werden - wie viele, ist unklar. Und es bleiben nur noch zwei Wochen Zeit, dann starten bereits die Spiele in Rio. Welcher Sportfachverband stoppt schon freiwillig seine eigenen Stars? Der Tennisverband hat jedenfalls bereits erklärt, dass sämtliche nominierten Russen nach Rio fahren werden.

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Sportredakteruin Olivia Gerstenberger

Gerecht geht es bei dieser Entscheidung mitnichten zu. Denn folgte man dieser Argumentation, sind ja auch unter den russischen Leichtathleten vielleicht Sportler, die sauber sind. Diese aber bleiben gesperrt. So wie übrigens alle ehemaligen russischen Dopingssünder, also auch Kronzeugin Julia Stepanowa, die den Skandal in Russland als geständige, ehemalige Dopingsünderin überhaupt ins Rollen gebracht hatte. Sie erfülle nicht die "ethischen Anforderungen", hieß es dazu von Seiten des IOC. Überführte Dopingsünder anderer Nationen, die ihre Sperre abgesessen haben, dürfen jedoch an den Spielen teilnehmen. Stepanowa wurde immerhin eingeladen, sich die Spiele von der Tribüne aus anzusehen. Ein deutliches Zeichen - auch in Richtung zukünftiger Whistleblower.

Bequeme Nicht-Lösung

Eine "Null-Toleranz-Strategie", wie stets von Bach betont, sieht jedenfalls komplett anders aus. Was muss denn eigentlich noch passieren, damit das IOC, immerhin ja der Veranstalter der Spiele, handelt? Das IOC lässt Russland, ein Land, das über Jahre hinweg nachweislich staatliches Doping betrieben hat, in Rio an den Start gehen. Unter der russischen Flagge. Der olympische Gedanke wird damit auf eine sehr harte Probe gestellt, wenn nicht gar ad absurdum geführt.

In jedem Fall ist es eine Ohrfeige für jeden sauberen Sportler. Denn welcher Athlet wird keinen bitteren Beigeschmack spüren, in Rio neben einem russischen Athleten auf dem Siegerpodest zu stehen? Das IOC und damit auch Thomas Bach hätten der deutlichen Empfehlung der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA folgen und Rückgrat sowie klare Kante im weltweiten Anti-Doping-Kampf zeigen können, zeigen müssen. So wird einmal mehr die Glaubwürdigkeit des Sportverbandes erschüttert und Staatsdoping auch für andere Nationen salonfähig gemacht.

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