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Kommentar: Ein schöner Traum

Tobias Oelmaier
16. April 2017

Tabellenschlusslicht SV Darmstadt 98 ist dem Abstieg in letzter Sekunde nochmal von der Schippe gesprungen, vorerst zumindest. Und viele freuen sich darüber. So auch unser Kommentator Tobias Oelmaier.

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Deutschland Darmstadt 98 - FC Schalke 04
Bild: picture alliance/dpa/T. Frey

Am Ende hatte Trainer Torsten Frings ein Lächeln auf den Lippen. Klar weiß er, was kommen wird. Klar weiß er, dass ihn die 2. Liga erwartet. Und doch dieses dezente Lächeln. Denn Sekunden zuvor hatte Jerome Gondorf in der Nachspielzeit das 2:1 für seine Darmstädter gegen Schalke 04 geschossen und damit den Abstieg vorerst abgewendet.

Ein Sieg an diesem 29. Spieltag war die Voraussetzung, um das letzte Fünkchen Hoffnung auf den Klassenerhalt am Glimmen zu halten. "Aufgeben ist keine Option", hatte Frings schon vor Wochen als Losung ausgegeben. Und alle halten sich daran.

Trotz begrenzter spielerischer Mittel, trotz vor allem begrenzter finanzieller Möglichkeiten, setzen die "Lilien" die Regeln des Geschäfts außer Kraft. Mit einem Kader, der auf dem Transfermarkt nicht so viel wert ist wie ein einziger mittelmäßiger Bayernprofi. 

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DW-Redakteur Tobias Oelmaier: "Wir sind alle Darmstadt"

Wie immer hatten die Zuschauer vor dem Anpfiff voller Inbrunst ihr Lied geschmettert. "Die Sonne scheint", ein Relikt aus den 80ern: "Lilien vor, schießt ein Tor!". Musikalisch schaurig, aber irgendwie kultig, so wie der ganze Verein. So wie das Stadion. Altmodisch, marode, zugig. Mit gerade mal Platz für 17.400 Zuschauer. Ehrensache, dass die Tribünen am Böllenfalltor trotz des drohenden Abstiegs wieder ausverkauft waren. Und die Mannschaft belohnte sie für ihr Kommen. Mit viel Einsatz, mit viel Glück und mit einem Sieg. Die Fans dürfen also weiter träumen. Und nicht nur die Darmstadt-Fans.

Irgendwie sind wir doch alle ein bisschen Darmstadt 98, sehnen uns nach Nostalgie, nach Fußball-Romantik. Nach Zeiten, in denen Fußballer noch nicht aussahen wie Laufsteg-Models und die Statements am Spielfeldrand nicht auswendig gelernte Worthülsen waren. Nach Zeiten, in denen Kaiserslautern, Mönchengladbach oder Bremen um die Meisterschaft kämpften und nicht Wolfsburg, Leipzig oder Hoffenheim. Nach Zeiten, in denen denen die Stadionwurst noch 2 Mark 50 kostete und nicht 5 Euro. Und in denen die Liga noch spannend war. Als noch jeder jeden schlagen konnte.

Der SV Darmstadt 98 setzt uns in eine Zeitmaschine. Beamt uns zurück in die 80er-Jahre, als noch "alles gut war". Darmstadt steht dafür, dass der Fußball nicht vom Kommerz dominiert wird. Dafür, dass man Erfolg nicht kaufen kann. Dass sich Leidenschaft und Einsatz lohnen. Dass man alles erreichen kann, wenn man nur will.

Wie oft sind wir eines Besseren belehrt worden. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen! Vielleicht ist das Torsten Frings durch den Kopf gegangen, als er am Spielfeldrand lächelte.

 

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