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Neuer Asylkonsens

27. August 2015

Ein gemeinsames europäisches Flüchtlingskonzept wird gebraucht. Doch das deutsche Modell kann es nicht sein, meint DW-Redakteur Christoph Hasselbach.

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Flüchtlinge auf Bahngleisen Foto: Reuters/O. Teofilovski
Bild: Reuters/O. Teofilovski

Innen weich, außen hart. Das ist das Prinzip des grenzkontrollfreien Schengen-Systems. Die beteiligten Staaten öffnen ihre Binnengrenzen, aber nur, weil sie gleichzeitig die EU-Außengrenzen schützen. Doch dieses Prinzip ist völlig ausgehöhlt.

Täglich überqueren Tausende Flüchtlinge von Italien aus ungehindert die Grenze nach Österreich und weiter nach Deutschland. Auf der Balkanroute überschreiten Flüchtlinge die EU-Außengrenze oft dreimal: Nach der Ankunft im EU-Land Griechenland schickt man sie ins Nicht-EU-Mitglied Mazedonien, das dagegen heftig protestiert. Mazedonien wiederum schleust die Menschen weiter nach Serbien, und von dort geht es nach Ungarn und damit wieder ins EU- und Schengen-Gebiet.

Die Ungarn schließlich, obwohl auch sie vor allem Transitland sind, haben inzwischen genug und bauen einen Zaun. Viele in Europa regen sich darüber auf. Dabei versucht Ungarn mit dem Zaun nicht nur sich selbst, sondern auch die EU-Außengrenze zu schützen, wie es von ihm erwartet wird.

Deutscher Sonderweg

Das bisherige Dublin-System, nach dem das EU-Land für einen Flüchtling zuständig ist, in dem er EU-Boden betritt, ist längst zu einer Farce geworden. Die am meisten betroffenen Staaten Italien und Griechenland ignorieren Dublin, während die Zielländer immer offener drohen, ihre eigenen Grenzen wieder zu kontrollieren. Schengen, eine der großartigsten Errungenschaften Europas, ist in Gefahr.

Christoph Hasselbach Foto: DW/M.Müller
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

In dieser Notlage ist es keineswegs damit getan, über eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge zu streiten. Isoliert von einer Gesamtstrategie wird es sie nicht geben: Eine Quotenregelung lehnen viele Staaten rundheraus ab. Andererseits kann es auch mit der freiwilligen Aufnahme nicht so weitergehen, denn irgendwann kommen auch die Musterschüler Deutschland und Schweden an ihre Grenzen.

Deutschland geht im Moment in der Flüchtlingspolitik einen Sonderweg, indem es fast jeden aufnimmt, der kommt. Politiker überbieten sich mit Vorschlägen zur Einbürgerung und Integration, ohne zu fragen, ob jemand überhaupt einen Asylanspruch hat. Das dürfte weltweit einzigartig sein.

Guterres hat nichts gegen Abschiebung

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, hat jahrelang an die Europäer appelliert, mehr Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufzunehmen. Aber er weiß Bürgerkriegsflüchtlinge von Wirtschaftsmigranten zu unterscheiden. Wenn nun sogar er EU-finanzierte Registrierungsstellen an den EU-Außengrenzen fordert, bedeutet das etwas.

Denn an diesen "hot spots" sollen nicht nur alle ankommenden Flüchtlinge registriert, sondern auch ihre Schutzbedürftigkeit geprüft werden. Wer aus wirtschaftlichen Gründen kommt, soll gar nicht erst in die EU einreisen dürfen. Offenbar hat auch Guterres gemerkt, was politisch-gesellschaftlich in Europa auf dem Spiel steht, wenn die unkontrollierte Einwanderung weitergeht.

Solche Registrierungszentren müssten einheitliche Standards haben. Und sie würden die Erstaufnahmeländer entlasten. Aber gerade auch Länder wie Deutschland würden entlastet, wo letztlich die Kommunen das Versagen höherer Ebenen bis hin zur europäischen Ebene ausbaden müssen.

Bleibt die Frage, ob es funktioniert. Das kann es nur dann, wenn man die unangenehme Seite beachtet. Man müsste all diejenigen schon an den Außengrenzen abweisen, die keinen Asylanspruch haben, und auch die konsequent ausweisen, die die Erfassungsstellen umgehen, egal, wo sie schließlich landen. Dann würde es auch mehr Akzeptanz für eine Verteilung der wirklich Schutzbedürftigen geben. Und der Druck auf Schengen ließe deutlich nach. In jedem Fall würde es das Ende des deutschen Sonderwegs in dieser Frage bedeuten. Doch dafür wird es höchste Zeit.

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik