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Dudas Charmeoffensive in Berlin

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
28. August 2015

Bei seinem Berlin-Besuch überraschte der national-konservative Präsident Polens seine Gastgeber. Die Ängste vor einer neuen Eiszeit in den deutsch-polnischen Beziehungen haben sich nicht bestätigt, meint Bartosz Dudek.

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Andrzej Duda und Angela Merkel in Berlin (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/G. Breloer

Ein Antrittsbesuch ist nicht dafür da, um gleich dicke Bretter zu bohren. Es geht vor allem darum, sich vorzustellen und eine Grundlage für die weiteren Kontakte zu schaffen. So gesehen hat Andrzej Dudas Besuch bei Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel seinen Zweck erfüllt. Die beiden Gastgeber waren sichtlich erleichtert. Gauck sprach von einer "vertrauten, familiären Begegnung", Duda von einem "wichtigen und guten" Treffen und "positiven Zukunftsaussichten".

Positive Überraschung

Seinen Berlin-Besuch bereitete Duda auch mit einer medialen Charmeoffensive vor, die bei Beobachtern ein Gefühl der Erleichterung auslöste. So outete sich Duda in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" als "erklärter Deutschland-Freund", der "Deutschland einfach mag". Der Tageszeitung "Die Welt" sagte er, das deutsch-polnische Verhältnis sei ihm "ein persönliches Anliegen". Vertreter der deutschen Presse - zu denen sogar der Chefredakteur der auflagenstärksten deutschen Boulevardzeitung "Bild" gehört - die in diesen Tagen das Präsidentenpalais in Warschau aufsuchten, staunten: Der wortgewandte Kaczynski-Ziehsohn ist kein Querkopf, sondern ein weltoffener "Deutschland-Versteher", der seine Ansichten sogar überzeugend präsentieren kann.

Vom neuen polnischen Präsidenten geht keine Gefahr für die so wichtigen deutsch-polnischen Beziehungen aus. Trotzdem sollten die positive Atmosphäre und die netten Worte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durchaus Differenzen zwischen Duda und seinen deutschen Gastgebern gibt.

Bartosz Dudek (Foto: DW)
Bartosz Dudek leitet die Polnische Redaktion der DW

So will Duda, dem die polnische Verfassung ein Mitgestaltungsrecht in der Außen- und Verteidigungspolitik gibt, darauf drängen, große NATO-Verbände dauerhaft in Polen zu stationieren: Ein Tabu für die Bundesregierung, die an den Versprechen an Russland aus den 1990er Jahren festhalten will, um eine weitere Eskalation der Lage zu vermeiden.

Differenzen bleiben

Viel Konfliktpotenzial steckt auch in der von Berlin forcierten Energiepolitik, die nach Dudas Ansicht polnische Kohlekraftwerke benachteiligt. Dazu kommt die polnische Haltung in der Flüchtlingspolitik, die die deutschen Politiker sichtbar irritiert. Duda sperrt sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten mit dem Argument, Polen müsse auf den Zustrom Tausender Ukrainer im Falle der Verschärfung der politischen Lage im Nachbarland vorbereitet sein.

Zunächst aber kann das politische Berlin aufatmen: Die Kennenlern-Runde ist gelungen. Doch die Differenzen bleiben. Wenn das national-konservative Lager am 26. Oktober die Parlamentswahlen in Polen gewinnt, werden sie noch größer. Dann könnte der charmante "Deutschland-Freund" Duda für Berlin besonders wichtig werden.

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Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe