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Britisches Anbiedern

Maaß Birgit Kommentarbild App
Birgit Maaß
22. Oktober 2015

Wenn der chinesische Staatspräsident auf Auslandsreise ist, dann geht es vor allem um Investitionen und gute Geschäfte. Ein wenig kritischer hätten die britischen Gastgeber aber schon sein dürfen, meint Birgit Maaß.

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London: Staatsbankett bei Queen Elizabeth II. für Chinas Präsident Xi Jinping
Staatsbankett von Queen Elizabeth II. für Chinas Präsident Xi Jinping. Links Kate, die Ehefrau von Prinz William.Bild: Reuters

Es waren Bilder, die auf den Fernsehbildschirmen in Peking und Shenzhen sicher sehr gut aussahen: Der chinesische Präsident Xi Jinping beim Staatsbankett im Buckingham Palace, eingerahmt von Kate, der strahlenden Duchess of Cambridge mit kleinem Krönchen, und der britischen Königin, würdevoll in weißer Gala-Robe. Händeschütteln mit einem freundlichen David Cameron vor chinesischen und britischen Flaggen. Jubelnde Chinesen in "I love China"-T-Shirts. Parade in der königlichen Kutsche, Spalier stehende Soldaten, Londons Straßen geschmückt mit roten Laternen und goldenen Drachen.

Großbritannien ließ sich nicht lumpen, einen festlicheren Empfang kann man einem Staatsoberhaupt nicht bereiten. Ein Propagandacoup für das chinesische Staatsoberhaupt, die Bilder legitimieren ihn und seine Regierung. Menschenrechte? Pustekuchen. Chinesisches Geld ist wichtiger: Über 40 Milliarden Euro, so hofft die britische Regierung, wird China in der nächsten Zeit in Großbritannien investieren, vor allem in große Infrastrukturprojekte wie den Bahnverkehr, regionale Flughäfen, sogar in Atomkraftwerke.

Ein weiterhin autoritärer Staat

Dabei ist China noch immer ein autoritärer Staat, der wesentliche Bürgerrechte mit Füßen tritt. Laut Human Rights Watch hat sich die Situation seit 2013, als Xi Jinping die Staatsgeschäfte übernahm, für Bürgerrechtler und Aktivisten verschärft: Die Kommunistische Partei regiert als Alleinherrscher, eine "Gedankenpolizei" zensiert das Internet, Menschenrechtler werden überwacht, oft ohne Prozess weggesperrt und eingeschüchtert. Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo sitzt seit mehreren Jahren hinter Gittern.

Aber über all das wollte die britische Regierung nicht reden. Stattdessen beschworen David Cameron und sein Finanzminister George Osborne eine neue "goldene Ära" in den chinesisch-britischen Beziehungen, man möchte wichtigster Partner der Chinesen im Westen werden. Für viele Briten hat das einen unangenehmen Beigeschmack. Besonders der Nukleardeal ist umstritten: Bei dem Gedanken, dass China mehrere britische Atomkraftwerke unweit der Acht-Millionen-Metropole London nicht nur bauen, sondern unter Umständen auch betreiben wird, bekommen viele ein mulmiges Gefühl. Britische Medien zitieren Sicherheitsexperten, die befürchten, dass China die Atomkraftwerke im Falle diplomatischer Auseinandersetzungen als Druckmittel einsetzen könnte; Labours energiepolitische Sprecherin Lisa Nandy sieht sogar die Sicherheit des Landes gefährdet.

Birgit Maaß Porträt
Birgit Maaß, DW-Korrespondentin in LondonBild: privat

Keine Kritik an China

Ein anderer Oppositionspolitiker, Paul Flynn, beklagt sich über Dumpingpraktiken chinesischer Stahlhersteller und vergleicht Großbritannien mit einem Hund, der demjenigen, der ihn schlägt, noch die Hand ableckt - gerade gehen in der britischen Stahlindustrie tausende Jobs verloren, weil Fabriken geschlossen werden.

Die Kritik aber bleibt ohne Konsequenz: Beim Staatsbesuch in London wurden die Protestierenden von der Polizei in ein kleines Eckchen verwiesen, ihre selbstgebastelten Plakate mit Schriftzügen wie "Cameron, vergiss die Menschenrechte nicht" von den großen Flaggen der Jubler in den roten China-Shirts verdrängt. Ausgestattet waren die China-Fans laut Amnesty International übrigens von der chinesischen Botschaft. Man könne beides haben, verteidigte sich David Cameron auf einer Pressekonferenz - gute wirtschaftliche Beziehungen und Diskussionen über Stahldumping und Menschenrechte. Aber wer glaubt dem britischen Premierminister, dass er seinem chinesischen Gegenüber in vertraulichen Gesprächen viele unangenehme Fragen stellt? Die Bilder, die Gesten bei diesem Besuch sprechen eine andere Sprache.

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