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Koalition einigt sich auf Asylschnellverfahren

6. November 2015

Die Spitzen der großen Koalition haben ihren Streit über neue Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beigelegt. Unter anderem einigten sie sich darauf, Asylverfahren zu beschleunigen.

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Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel (Foto: Picture alliance, dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B.v.Jutrczenka

Die Koalition hat sich nach wochenlangem Streit auf ein umfassendes Asylpaket zur Bewältigung des massiven Flüchtlingsandrangs geeinigt. Flüchtlinge ohne eine Bleibeperspektive sollen künftig in bundesweit drei bis fünf Registrierungszentren untergebracht werden und einer verschärften Residenzpflicht unterliegen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Chefs von CSU und SPD, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, nach einem Koalitionsgipfel ankündigten.

Alle drei zeigten sich zufrieden

Mit der Einigung auf die Schnellverfahren in Registrierungszentren legte die große Koalition ihren Streit über die von der Union geforderten Transitzonen bei: "Die Koalition ist sich einig, die Herausforderung der Flüchtlingsbewegung gemeinsam zu meistern", heißt es in einem von den Koalitionären vorgelegten Positionspapier.

"Alles in allem sind wir einen guten wichtigen Schritt vorangekommen", sagte Merkel. "Wir machen das in dem Geist, dass wir das schaffen können." Es werde keine "exterritorialen Zonen" geben, sagte Gabriel. Die Transitzonen seien vom Tisch. Seehofer betonte, er habe niemals so etwas wie eine Hafteinrichtung vorgeschlagen, wie ihm Kritiker etwa in der SPD vorgeworfen hatten.

Schelle Asylverfahren

Zwei der Registrierungszentren werden in Bayern stehen, und zwar in Bamberg und Manching. In beiden Orten hat der Freistaat im Alleingang bereits entsprechende Einrichtungen geschaffen. "In Anlehnung an das Flughafenverfahren sollen die zeitlichen Abläufe so gestaltet werden, dass das Verwaltungsverfahren innerhalb einer Woche und das Rechtsmittelverfahren innerhalb von zwei Wochen durchgeführt werden können", heißt es in dem Koalitionspapier. Nach der Ablehnung des Asylantrags sollen die betroffenen Flüchtlinge direkt aus den Registrierungszentren in ihre Heimat abgeschoben werden.

Sanktionen bei Verletzung der Residenzpflicht

Für die Flüchtlinge in den Registrierungszentren soll zudem eine verschärfte Residenzpflicht gelten: Sie dürfen sich nur im Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde bewegen. Verstöße gegen die Vorschrift sollten "erhebliche Auswirkungen" haben, sagte Merkel. Wer sich nicht an die Residenzpflicht halte, verliere seinen Anspruch auf soziale Leistungen, zudem ruhe der Asylantrag. Bei einem zweifachen Verstoß gegen die Residenzpflicht soll eine sofortige Ausweisung erfolgen. Die Maßnahmen sollen auch für Flüchtlinge gelten, die "keine Mitwirkungsbereitschaft" zeigen - etwa weil sie keine Papiere vorlegen.

Die Einrichtung der Registrierungszentren sei "eine wichtige Maßnahme, um deutlich zu machen, dass wir hier die gesamte Abfolge beschleunigen wollen", sagte Merkel. Gabriel stellte allerdings klar, dass von den Maßnahmen nur ein kleiner Teil der derzeit nach Deutschland kommenden Flüchtlinge betroffen sein werde. Die überwiegende Zahl derer, die im Augenblick kämen, habe eine Bleibeperspektive.

Flüchtlingsausweise und eingeschränkter Familiennachzug

Eine weitere Neuerung soll die Einführung eines einheitlichen Flüchtlingsausweises sein. Mit dem Ausweis und einer Datenbank soll eine sichere und rasche Identifizierung der Flüchtlinge gewährleistet werden. Eine Registrierung und ein solcher Ausweis sind Voraussetzung dafür, dass ein Asylantrag gestellt werden kann - und für Leistungen.

Wie von der Union verlangt, soll für eine bestimmte Flüchtlingsgruppe für zwei Jahre der Nachzug von Angehörigen ausgesetzt werden. Dies gilt demnach für Menschen, die nicht nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder dem Asyl-Grundrecht anerkannt werden, aber in der Bundesrepublik bleiben dürfen.

Beschlüsse betreffen auch Nicht-EU-Länder

Union und SPD sind außerdem dafür, rasch einen EU-Türkei-Gipfel einzuberufen, bei dem eine Migrations-Agenda verabschiedet werden soll. Unter anderem soll es eine finanzielle Unterstützung der Türkei zur besseren Versorgung der Flüchtlinge geben. Die Bundesregierung will sich für die Eröffnung neuer Kapitel bei den laufenden EU-Beitrittsverhandlungen einsetzen. Zudem soll es ein legales Kontingent von Flüchtlingen geben, die aus der Türkei in die gesamte EU kommen dürfen.

Merkel traf sich auch mit Ministerpräsidenten

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet unterdessen damit, dass die Behörde bis Ende des Jahres 2015 noch 40.000 neue Abschiebeentscheide erteilen wird. Das teilte BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei deren anschließendem Treffen im Kanzleramt mit.

Bei dem Treffen mit den Ministerpräsidenten seien aber keine Entscheidungen gefallen, hieß es. Man habe sich aber über Themen wie eine schnellere Abschiebung und die nötige Beschleunigung der Asylverfahren ausgetauscht. Zudem sei über Probleme gesprochen worden, Flüchtlinge schneller in Arbeit oder Ausbildung zu bringen. Beim nächsten Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin im Dezember solle schwerpunktmäßig darüber gesprochen werden, wie die Wohnbauförderung verstärkt werden kann.

chr/stu (dpa, afp, rtr)