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FilmEuropa

Kino-Comeback für Kevin Spacey?

Scott Roxborough
15. Dezember 2023

Nachdem er von der Anklage der sexuellen Nötigung freigesprochen wurde, kehrt Oscar-Preisträger Kevin Spacey zurück auf die Leinwand - mit Low-Budget-Indie-Filmen.

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Drei Personen im Anzug stehen draußen vor einem Gebäude.
Kevin Spaceys Karriere geht mit kleinen Produktionen weiterBild: Susannah Ireland/REUTERS

"In einem amerikanischen Leben gibt es keinen zweiten Akt", schrieb der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald. Kevin Spacey ist da vielleicht anderer Meinung: Der US-amerikanische Schauspieler und zweifache Oscar-Preisträger versucht gerade, ein neues Kapitel in seiner Karriere aufzuschlagen. Diese hatte einen massiven Rückschlag erlitten, nachdem er im Zuge der #MeToo-Bewegung in mehreren Fällen sexueller Übergriffe beschuldigt worden war: Sein Hollywood-Agent und sein Pressesprecher ließen ihn fallen, aus dem Netflix-Hit "House of Cards" wurde er gefeuert. Netflix legte auch "Gore Vidal" auf Eis, ein Biopic mit Spacey in der Hauptrolle als verstorbener amerikanischer Schriftsteller und politischer Querkopf, dessen Produktion nur wenige Wochen vor dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe abgeschlossen worden war.

Herausgeschnitten aus "All the Money in the World"

Vergangenes Jahr scheiterte Kevin Spacey mit dem Versuch, einen Schiedsspruch in Höhe von 31 Millionen Dollar zu kippen, den er an den "House of Cards"-Produzenten MRC zu zahlen hatte - wegen sexuellen Fehlverhaltens gegenüber jungen Crewmitgliedern hinter den Kulissen der Serie. 

Die meisten Schlagzeilen machten Ridley Scott und Sony Pictures, die Millionen in teure Nachdrehs für das Historiendrama "All the Money in the World" (2017) steckten, Christopher Plummer für die Rolle des J. Paul Getty besetzten - und Spacey digital aus dem Film entfernten.

Ein älterer Mann im Anzug sitzt beben einem Jungen am Tisch und hält eine Tasse in der Hand. Der Junge liest etwas von einem Blatt Papier.
Christopher Plummer als John Paul Getty in "All the Money in the World"Bild: PLF/Captital Pictures/picture alliance

Spacey hat immer seine Unschuld beteuert. Und jetzt, da er vor Gericht von einigen Anklagepunkten freigesprochen wurde - andere wurden vom Gericht verworfen oder von der Staatsanwaltschaft aus Mangel an Beweisen fallengelassen - plant der Schauspieler eine Rückkehr auf die große Leinwand. Mehr oder weniger.

Kevin Spacey künftig in Low-Budget-D-Filmen

Dass Spacey in der nächsten Zeit die Hauptrolle in einem Hollywood-Tentpole, einer Blockbuster-verdächtigen Spitzenproduktion eines Studios oder einem Marvel-Franchise übernimmt, ist damit nicht gemeint. Und auch nicht zu erwarten.

Stattdessen hat sich der Star aus "Die üblichen Verdächtigen" und "American Beauty" in der D-Film-Abteilung mit kleinen Rollen in obskuren Low-Budget-Independent-Filmen durchgeschlagen. 2022 hatte er eine Nebenrolle in "The Man Who Drew God", einem italienischen Drama unter der Regie und mit Franco Nero in der Hauptrolle. Der Film wurde außerhalb Italiens nicht veröffentlicht und Spaceys Dialoge wurden von einem lokalen Schauspieler synchronisiert.

Ein Mann mit Brille und im Anzug beißt die Lippen aufeinander und hat die Augen geschlossen.
London, 26. Juli 2023: Kevin Spacey nach dem ProzessendeBild: Hugo Philpott/UPI Photo via Newscom/picture alliance

Nächsten Monat wird man ihn in "Control" hören, aber nicht sehen - einem britischen Low-Budget-Thriller, in dem Spacey eine bedrohliche Stimme in einem GPS-System spielt. Und nächstes Jahr kann man versuchen, den "L.A. Confidential"-Darsteller in "Peter Five Eight" zu sehen, einer britischen Actionkomödie, die nur in begrenztem Umfang veröffentlicht werden soll. Es wäre also verfrüht, einen dieser Filme als Spaceys "Kino-Comeback" zu bezeichnen.

Europa zeigt sich weiter offen

Es ist durchaus bemerkenswert, dass Spaceys aktuelle Jobangebote allesamt aus Europa kommen, wo die Filmindustrie offenbar notorisch nachgiebig ist, wenn es um tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten von Stars geht.

Roman Polanski hat die letzten 45 Jahre damit verbracht, Filme in Frankreich zu drehen. Dank seines französischen Passes konnte er einer Auslieferung an die USA entgehen - der Vorwurf des unerlaubten Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen besteht immer noch. Polanskis letzter Spielfilm, "The Palace", wurde bei den 80. Filmfestspielen von Venedig in diesem Jahr außerhalb des Wettbewerbs uraufgeführt.

Ebenso wie "Ein Glücksfall" von Woody Allen, der von seiner Adoptivtochter Dylan Farrow beschuldigt wird, sie als Siebenjährige sexuell missbraucht zu haben. Allen, der das bestreitet, hat es leichter, seine Filme auf dem europäischen Kontinent zu finanzieren und zu vertreiben als in den kritischeren Vereinigten Staaten.

Und Johnny Depp, der aufgrund von Missbrauchsvorwürfen seiner Ex-Frau Amber Heard aus dem "Harry Potter"-Spin-Off "Fantastic Beasts" ausgestiegen ist, wurde für die Rolle König Ludwig XV. im französischen Historiendrama "Jeanne du Barry" gecastet, das die diesjährigen Filmfestspiele von Cannes eröffnete.

Ein Mann mit langen Haaren steht im Anzug auf einem roten Teppich. Im Hintergrund Fotografinnen und Fotografen.
Johnny Depp, Hauptdarsteller in "Jeanne du Barry" im Mai 2023 in CannesBild: Sebastien Botella/PHOTOPQR/NICE MATIN/picture alliance/dpa

Auffangbecken Indie-Film

Um ehrlich zu sein, ist die Filmindustrie - insbesondere der kassengebeutelte Indie-Sektor - dafür bekannt, immer wieder ethische Fragen zu übersehen, wenn es Geld zu verdienen gibt. Schon lange vor #MeToo wurde Mel Gibson wegen öffentlicher schwulenfeindlicher, rassistischer und antisemitischer Äußerungen aus Filmprojekten verbannt. Doch während Gibson für einige zur Persona non grata wurde - und es bis heute auch noch ist - hat er nie wirklich aufgehört zu arbeiten.

Die Höhepunkte seiner Karriere nach den Skandalen - "Get The Gringo", "Machette Kills" und "Dragged Across Concrete" - haben Sie zwar vielleicht noch nicht gesehen. Aber diese Filme wurden gedreht und Gibson wurde dafür bezahlt. Die jüngste Empörung über die Besetzung von Gibson in "The Continental", einem Big-Budget-TV-Ableger der "John Wick"-Actionfilmreihe, zeigt nur, wie sehr sich die meisten Medien auf Hollywood konzentrieren. Für Fans mittelmäßiger Indie-Kost ist Mel Gibson nie verschwunden.

Und Kevin Spacey wird ebenfalls nicht verschwinden. Solange es unabhängige Filmemacherinnen und Filmemacher gibt, die davon ausgehen, dass das Etikett "zweifacher Oscar-Gewinner" auf ihren Trailern und Plakaten zu einem Impulskauf oder zu ein paar mehr Streaming-Zugriffen von alten "House of Cards"-Fans führen könnte, wird Spacey weiterhin Filme machen. In gewisser Weise. Nennen Sie es nur nicht "Comeback".

Adaption aus dem Englischen: Nikolas Fischer