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Kind sein: Doppelt hält besser

Sarah Faupel5. Januar 2006

"¿Hola, que tal? Hallo, wie geht’s?" Im Bonner Kindergarten 'Carrusel' dreht sich alles um Deutsch und Spanisch. Für Bernardo kein Problem.

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Weihnachtszeit im Kindergarten 'Carrusel'Bild: DW

Bernardo macht große Augen, als der Mann im roten Mantel und mit weißem Rauschebart in den Kindergarten stiefelt. Den Nikolaus kannte er bisher nicht. In Uruguay, seiner Heimat, bringen die Heiligen Drei Könige die Geschenke für die Kinder - allerdings einen Monat später, am 6. Januar.

Vor fünf Monaten ist Bernardo mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Es gibt viele Unterschiede, an die sich Bernardo erst einmal gewöhnen muss. Aber eines hat der Sechsjährige überraschend schnell gelernt: Neben seiner Muttersprache Spanisch spricht Bernardo auch fließend Deutsch.

"Es ist nur ein bisschen schwer Deutsch zu lernen" erklärt er. "Hier sprechen nämlich alle Deutsch und Spanisch." Mit hier meint Bernardo den Kindergarten "Carrusel" in Bonn-Plittersdorf, eine zwei-sprachigen Tagesstätte.

Normal und doch anders

An den Fenstern kleben Sterne, mit bunter Fensterfarbe haben die Kinder ihre Hände an die Scheiben gepappt. In den Zimmern hängen gebastelte Engel, Nikoläuse und Drachen. Auf den ersten Blick sieht der Kindergarten aus wie viele andere in Deutschland.

Dafür hört es sich hier aber ganz anders an. "Eso es mi juguete", "Ich muß mal", "No quiero comerlo". Hier wird in zwei Sprachen geredet, gesungen und gestritten - und alle finden das ganz normal.

Die sieben Kindergärtnerinnen reden nur in ihrer Muttersprache mit den Kindern. Vier in Spanisch, drei in Deutsch. Die Kinder dagegen können selbst entscheiden, in welcher Sprache sie sprechen wollen. Im "Carrusel" werden die beiden Sprachen gleichberechtigt behandelt und nicht eine als "Nebensprache" angesehen.

"Alles - nur nicht sich fremd fühlen"

Venezuela, Peru, Chile - bei vielen der 38 Kinder kommt entweder der Vater oder die Mutter aus einem spanisch-sprachigen Land. Zu Hause wird meistens Spanisch gesprochen. Wie bei Bernardo.

Seine Heimat und das Leben in Montevideo vermisst er, vor allem seine Freunde und seine beiden Opas. Aber er hat schon viele neue Freunde im und außerhalb vom Kindergarten gefunden. Dass er Deutsch und Spanisch spricht, hat ihm dabei geholfen.

"Kinder wollen alles, nur nicht sich fremd fühlen, als Außenseiter. Deshalb haben wir eine Umgebung geschaffen, in der es natürlich ist, zweisprachig aufzuwachsen", sagt Martina Escudero-Wolf, die "Carrusel" im April dieses Jahres mitgegründet hat.

Kinder sind Sprachgenies

Dass Bernardo nach so kurzer Zeit so gut Deutsch gelernt hat, überrascht Martina Escudero-Wolf nicht. "Kinder sind Sprachgenies", sagt sie. "Zwei Sprachen zu sprechen überfordert sie nicht". Im Gegenteil: Es fördere ihre sozialen, kognitiven und kreativen Fähigkeiten.

Im nächsten Jahr kommt Bernardo in die Schule. Der Kindergarten "Carrusel" verhandelt zurzeit mit einer Grundschule in Bonn, damit die Kinder auch dort weiterhin in einer zweisprachigen Umgebung aufwachsen und lernen.

Bernardo und seine Familie werden in ein paar Jahren wieder zurück nach Uruguay gehen - dann endet die Stelle vom Vater bei den Vereinten Nationen. In der Heimat will er dann seinen Freunden und seinen Opas von Deutschland erzählen; von den Menschen, dem Essen und der Sprache. Aber vor allem vom Nikolaus, der eigentlich kein Nikolaus war. Denn "da war ein normaler Mann drin", sagt Bernardo, "das hab ich gesehen."