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Interview Eugen Strigel

29. Dezember 2010

Fehlentscheidungen bei der WM, schmierige Affären im Bundesliga-Geschäft: Fußball-Schiedsrichter haben im Jahr 2010 für einige Diskussionen gesorgt. Eugen Strigel aus der DFB-Schiedsrichterkommission blickt zurück.

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Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Strigel spricht am 17.11.2008 während einer Pressekonferenz im Haus des Fußballs in München (Oberbayern) zu den Journalisten. (Foto: dpa, Lukas Barth)
Ex-Schiri-Lehrwart StrigelBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Strigel, auch für Sie war 2010 ein einschneidendes Jahr: Sie haben Ihren Rücktritt als Schiedsrichter-Lehrwart bekannt gegeben. Warum und wie geht es Ihnen damit?

Eugen Strigel: Ich hatte vor einem Jahr ziemliche gesundheitliche Probleme und musste kürzer treten. Ich gab also das Amt als Lehrwart auf, bin aber nach wie vor Mitglied der DFB-Schiedsrichterkommission. Dort bin ich für das Beobachtungswesen von der Bundesliga bis zu den Regionalligen zuständig. Ich bin also genügend ausgelastet und habe noch genügend zu tun.

Es hat einen Umbruch gegeben in Deutschlands Schiedsrichterwesen – Markus Merk und Herbert Fandel haben aufgehört, junge Schiris (Felix Zwayer und Marco Fritz) sind nachgerückt – wo stehen die deutschen Schiris im Jahr 2010?

Wir haben nach wie vor international ein hohes Ansehen. Wir haben drei Schiedsrichter in der Topgruppe der FIFA. Mit Wolfgang Stark, Florian Meyer und Felix Brych haben wir drei Spitzenschiedsrichter. Auch in der Bundsliga haben wir nach wie vor sehr gute Schiedsrichter. International müssen wir uns nicht verstecken.

Torrichter machen Fehler – Technik nicht

Fußball und "gläserner" Fußball mit Chip-Konstruktion hinter der Torlinie - auf einer Armbanduhr Uhr wird "Goal" angezeigt.
Laut Technik ist der Ball im TorBild: Oliver Braun

Eine Premiere hat es gegeben: Die Einführung von Torrichtern bei internationalen Spielen. Wie bewerten Sie diese?

Wir in Deutschland sind sehr skeptisch und ich persönlich bin es auch. Wir übernehmen dieses Modell nicht, obwohl die UEFA es ihren Landesverbänden freigestellt hat. Wir würden den "Chip im Ball" vorziehen. Dieses technische Hilfsmittel hilft unserer Meinung nach dem Schiedsrichter. Denn dann ist zu 100 Prozent sicher, ob der Ball im Tor ist oder nicht. Bei einem Torrichter kann das menschliche Auge menschliche Fehler machen. Doch die UEFA, vor allem Präsident Michel Platini, wollte unbedingt diesen Torrichter und keine Technik.

Der Torrichter hat ja aber noch weitere Aufgaben…

... ja. Der Torrichter soll entscheiden: Ball im Tor oder nicht. Er hat aber auch noch weitere Aufgaben, nämlich den Schiedsrichter bei schwierigen Aufgaben im Strafraum zu unterstützen. Handspiel, Foul, Elfmeter – ja oder nein? Das kann natürlich ein Chip im Ball nicht machen.

Welche technische Ausrüstung haben denn Schiedsrichter momentan?

Momentan haben die Schiedsrichter in der Bundesliga und international neben den üblichen Utensilien wie der Uhr ein Headset-System und sind miteinander verbunden: Also Schiedsrichter, die beiden Assistenten und der vierte Offizielle. Sie können während des Spiels miteinander reden, ohne dass man die Partie unterbrechen muss und ohne, dass das einem Spieler oder den Trainern auffällt.

WM 2010: "Man konnte nicht rundum zufrieden sein"

Deutschlands Torwart Manuel Neuer ist geschlagen, doch das Tor von Frank Lampard bei der WM 2010 wird nicht gegeben. (Foto: EPA/JON HRUSA)
Klarste Fehlentscheidung bei der WM 2010: Das englische Tor wurde verweigertBild: picture alliance/dpa

Schauen wir noch einmal zurück auf die WM in Südafrika. Dort gab es viel Kritik an der Schiedsrichterleistung – zu Recht?

Bei der WM war es schon so, dass sehr viele, sehr gute Leistungen dabei waren. Aber es gab auch einige gravierende Fehler, wo die Schiedsrichter wirklich daneben lagen. Beispielsweise das Tor der Engländer gegen Deutschland, als der Ball klar im Tor war. Es gab aber auch etliche klare falsche Elfmeter. Das wird man aber nie hundertprozentig verhindern können. Die FIFA hat die Schiedsrichter eigentlich sehr lange auf das Turnier vorbereitet und gut ausgewählt. Trotzdem hat es nicht hundertprozentig funktioniert und man konnte nicht rundum zufrieden sein.

Guckt man zurück auf das Jahr 2010, so kommt man auch am Skandal um Manfred Amerell nicht vorbei. Hat dieser Fall dem Schiedsrichterwesen sehr geschadet?

Weil das noch ein laufendes Verfahren ist, möchte ich dazu nicht viel sagen. Man wird sehen, was in diesem Gerichtsverfahren herauskommt. Es ist so, dass Michael Kempter keine Spiele mehr leitet, weil eben noch Verfahren anhängig sind und weil von Anfang an immer mehr scheibchenweise an die Öffentlichkeit kam. Wir müssen abwarten, was dabei herauskommt und dann wird man sehen, wie es mit Michael Kempter weitergeht.

Könnte eine Professionalisierung des Schiedsrichterwesens nicht eine Konsequenz aus diesem Skandal und der Hoyzer-Affäre sein?

Es gibt für und wider. Es gibt sogar einige Länder, die diese Profi-Schiedsrichter haben. Zum Beispiel in England sind die Top-Schiedsrichter Profis. Aber bessere Leistungen bringen sie deswegen überhaupt nicht. Wie wir das einschätzen, sind unsere Schiedsrichter in Europa und weltweit mit an der Spitze. Da sind wir positive Beispiele. Es gibt bei uns fast keinen Schiedsrichter in der Bundesliga, der vollberuflich arbeitet. Der überwiegende Teil der Schiedsrichter arbeitet reduziert. Wir sind der Meinung, dass das auch unbedingt so weiterbehalten werden soll. Zum einen haben sie dann noch ein berufliches Standbein und sind nicht nur abhängig von der Schiedsrichterei. Wenn sie morgen aufhören müssen, wollen oder aus irgendeinem Grund nicht mehr gebraucht werden, weil sie verletzt sind oder schlechte Leistungen bringen, dann können sie zurück und haben ein Standbein im Beruf.

Ein Ausblick auf das nächste Jahr

Steffi Jones zeigt das Los mit der Aufschrift "Germany". Die Frauen-Fussball-WM 2011 findet vom 26. Juni bis 17. Juli 2011 in Deutschland statt. (Foto: Torsten Silz/dapd)
Fußball-Frauen-Power in DeutschlandBild: dapd

Was wünschen Sie sich für 2011?

Für mich persönlich natürlich Gesundheit. Wenn man solch einen gesundheitlichen Schlag gehabt hat – mit soviel Glück, dass man das überlebt – da ist man froh, wenn man weiterhin gesund ist. Und dann wünsche ich mir, dass es mit der Schiedsrichterleistung weiter nach oben geht. Dass wir weiterhin so pfeifen, dass die Vereine zufrieden sind. Dass die Schiedsrichter nicht im Blickpunkt der Spiele stehen, sondern die Spiele und die Spieler. Dass die Schiedsrichter dazu beitragen, dass Fußball weiterhin der Lieblingssport Nummer eins bleibt, dass man über die Bundesliga weiterhin positiv redet und über die Schiedsrichter möglichst gar nicht.

...und dass die deutschen Frauen Weltmeister werden.

Und dass die deutschen Frauen Weltmeister werden! Es gibt natürlich hohe Ansprüche an sie, weil sie schon so viel erreicht haben. Eine tolle WM und ein toller Gastgeber zu sein, das wäre eine schöne Sache.

Das Interview führte: Olivia Fritz
Redaktion: Arnulf Boettcher