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Kein großer Wurf, aber eine Arbeitsrede

Jens Thurau (os)14. März 2003

Der große Wurf war die Regierungserklärung von Kanzler Gerhard Schröder nicht. Sie war mehr eine Arbeitsrede.

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Die Abgeordneten im Bundestag warteten vergebens auf eine Ruckrede des KanzlersBild: AP

In der bislang längsten Regierungserklärung umriss Bundeskanzler Gerhard Schröder sein Konzept zum Umbau von Arbeitsmarkt und Sozialsystemen. "Agenda 2010" nannte er das. Im Einzelnen will der SPD-Chef an der Haushaltskonsolidierung festhalten und dennoch ein insgesamt 15 Milliarden Euro schweres Programm für die Kommunen und die Gebäudesanierung auflegen. Er will Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen und für kleinere Betriebe den Kündigungsschutz lockern. Im Gesundheitsbereich bleibt es beim Solidarprinzip, auch bei der Zahnbehandlung.

Vor allem aber will sich Schröder künftig besser gegen die zahlreichen Lobbygruppen durchsetzen: "Ich bin entschlossen, nicht mehr zuzulassen, dass die Probleme auf die lange Bank geschoben werden, weil sie kaum überwindbar scheinen. Ich will nicht hinnehmen, das Lösungen an Einzelinteressen scheitern, weil die Kraft zur Gemeinsamkeit nicht vorhanden ist."

Opposition überraschend zahm

Auffällig kooperationsbereit zeigte sich CDU-Chefin Angela Merkel in ihrer Reaktion, auch wenn die Schröder Konzeptionslosigkeit und mangelnden Mut vorwarf: "Der große Wurf für die Bundesrepublik Deutschland ist das mit Sicherheit nicht. Es waren Wiederholungen von Bekanntem, es waren vage Andeutungen, und es ist mir nicht klargeworden, wer hier eigentlich aus der Krise herausgeführt werden soll. Sie, Herr Bundeskanzler, oder unser Land, die Bundesrepublik Deutschland." Ansonsten stimmte Merkel Schröder bei dessen Ideen für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu, grundsätzlich auch bei den Änderungen beim Kündigungsschutz. Steuererhöhungen seien aber nicht zu machen mit der Opposition. Tatsächlich lehnte die Union zeitgleich im Bundesrat die jüngsten rot-grünen Steuererhöhungsgesetze ab. Ebenso wie die FDP, deren Chef Guido Westerwelle dem Kanzler vorwarf, bei der Schaffung neuer Jobs seit Jahren untätig zu sein.

Magenschmerzen bei den Grünen

Die Grünen haben zwar heftige Magenschmerzen, wenn das eiserne Sparen jetzt teilweise aufgegeben wird, um in den Kommunen zu investieren. Dennoch sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt dem Kanzler die Unterstützung des kleinen Koalitionspartners zu. Auch Bayerns CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber ergriff das Wort - das erste Mal seit seiner Niederlage gegen Schröder bei der Bundestagswahl. Er kritisierte vor allem den Kurs der Regierung in der Irak-Frage: "In der Außenpolitik sehen wir tragende Säulen der bisherigen Weltordnung in der Krise, die uns 50 Jahre lang getragen und Frieden und Freiheit gesichert haben. Die Vereinten Nationen, die NATO, die Europäische Union - alle gespalten wie noch nie. Und dafür trägt diese Bundesregierung Mitverantwortung."

Arbeitsrede - so lautete auf den Fluren des Reichstages schon bald das Fazit über des Kanzlers Rede. Behutsam versuchte Schröder vor allem den eigenen linken Flügel auf die kommenden schmerzhaften Reformen vorzubereiten. Und die Opposition weiß, das sie nicht protestierend am Rande stehen darf, wenn die rot-grüne Regierung tatsächlich Einschnitte durchsetzt. Das Signal zur Zusammenarbeit über die Parteigrenzen ist vielleicht das wichtigste Signal des Tages.