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Sozialpolitischer Rotstift

Oliver Schilling14. März 2003

Gerhard Schröder hat am Freitagmorgen (14.3.2003) seine lang erwartete Regierungserklärung abgegeben. Drastische Einschnitte im Sozialsystem standen auf der Agenda. Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik.

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Kampfrhetorik im deutschen ParlamentBild: AP

Schröder begann seine Rede mit einem kurzen Plädoyer für eine friedliche Lösung der Irakfrage. "Wir müssen den Mut aufbringen, für den Frieden zu kämpfen, solange noch ein Funken Hoffnung besteht", appellierte der Kanzler an die Abgeordneten.

Mit Blick auf die Arbeits- und Sozialpolitik - dem Kern seiner Rede - bekräftigte der Bundeskanzler seine Absicht, die Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenzulegen und den Kündigungsschutz in Kleinbetrieben abzubauen. Unter dem Titel "Agenda 2010" forderte der SPD-Vorsitzende eine Modernisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Hierfür sollten staatliche Ausgaben erhöht werden. Dies soll allerdings ohne Steuererhöhungen und eine erhöhte Neuverschuldung geschehen: "Mir liegt daran festzustellen, dass dies kein kurzfristiges Konjunkturprogramm mit Strohfeuereffekt sein wird. Wir werden dafür weder neue Schulden aufnehmen noch die Steuern erhöhen", erklärte der Regierungschef im Deutschen Bundestag.

Kürzere Bezugsdauer

Schröder kündigte an, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld für Menschen im Alter von 46 bis 55 Jahren einheitlich auf 12 Monate und für über 55-Jährige auf 18 Monate zu begrenzen. Bisher erhalten über 57-Jährige 32 Monate Arbeitslosengeld, über 52-Jährige 26 Monate. Wer unter 46 ist, erhält auch bisher schon 12 Monate Arbeitslosengeld. Ferner sollen bei der geplanten Fusion von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach Schröders Worten beide Leistungen auf die Höhe der Sozialhilfe gebracht werden. Das bedeutet letztendlich eine drastische Kürzung der Arbeitslosenhilfe. Langzeitarbeitslose, die eine Beschäftigung aufnehmen, sollen allerdings künftig deutlich mehr als die bisherigen 15 Prozent der staatlichen Unterstützungsleistung beziehen dürfen.

Reform des Handwerks

Desweiteren will Schröder das deutsche Handwerk reformieren, um Existenzgründungen zu fördern. So soll es künftig ausreichen, wenn der Chef einer GmbH innerhalb seines Betriebes einen Meister beschäftigt. Ein selbstständiger Einzelunternehmer wird aber auch in Zukunft einen Meisterbrief vorweisen müssen. Prinzipiell sei dies aber nur noch der Fall in den Handwerkszweigen, in denen es auf ein Qualitätssiegel ankomme. Dies seien Bereiche, in denen unsachgemäße Arbeit Gefahren für Gesundheit und Leben anderer verursachen könnten. "Tüchtige und erfahrene Gesellen" sollen ferner nach zehn Jahren Berufstätigkeit einen Rechtsanspruch auf die selbstständige Ausübung ihres Handwerks erhalten", erkärte Schröder.

Zahnbehandlung bleibt kassenpflichtig

Anders als vorab erwartet, will Schröder im Bereich der Gesundheitspolitik keine bedeutenden Änderungen der Leistungen durchsetzen. So bekräftigte er, dass Zahnbehandlung und Zahnersatz auch in Zukunft von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden sollen. Andere Vorschläge halte er für falsch. "Ich möchte nicht, dass man den sozialen Status wieder an den Zähnen ablesen kann", spitzte der Kanzler seine Position zu. Ebenfalls sprach sich Schröder dagegen aus, private Unfälle aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen. Dies sei schon deshalb nicht möglich, da eine trennscharfe Abgrenzung zwischen krankheits- und unfallbedingten Leiden nicht möglich sei, betonte er.

Opposition lacht Schröder aus

Angela Merkel redet im Bundestag
Scheltet die Bundesregierung: Oppositionschefin Angelika MerkelBild: AP

Während Schröders Rede bei den sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten mit stehenden Ovationen begrüßt wurde, reagierte die Opposition mit höhnischem Gelächter. Nach Schröder trat die CDU- und Unionsfraktionsvorsitzende Angela Merkel (Foto) vor das Mikrofon und warf dem Kanzler vor, weiterhin kein klares Konzept für die Lösung der Probleme in Deutschland zu haben. "Der große Wurf für die Bundesrepublik Deutschland" seien Schröders Pläne nicht. Die Unionspolitikerin forderte Leistungsanreize im steuerlichen Bereich, ohne zu präzisieren, wie diese genau aussehen sollten. Ferner forderte sie Schröder auf, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu senken. Derzeit liegen diese bei durchschnittlich 42 Prozent. Die Arbeit in Deutschland müsse zukünftig im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger sein, so Merkel.

Merkel fordert außenpolitische Kompromissbereitschaft

Mit Blick auf die Irakfrage bekräftigte Merkel ihre Warnung vor einem deutschen Alleingang in der Außen- und Sicherheitspolitik. Die bisherigen Auseinandersetzungen im Irak-Konflikt seien ein "Trauerspiel" gewesen, sagte Merkel. Dies habe zu "Spaltungen in Bündnissen" und "Achsen außerhalb der Bündnisse" geführt. Eindringlich appellierte Merkel an die Bundesregierung, Kompromissbereitschaft in der UNO zu zeigen. "Unser Gegner ist nicht der amerikanische Präsident. Unser Gegner ist immer noch Saddam Hussein", sagte die CDU-Chefin.