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Politik

Kein Fortschritt in der Rohingya-Krise

27. März 2017

Seit Monaten stehen Myanmar und Aung San Suu Kyi wegen der Rohingya-Krise international in der Kritik. Der Fall zeigt, wie wenig Spielraum die zivile Regierung im Land hat.

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Myanmars Armee an der Grenze zu Bangladesch (Foto: AP)
Bild: AP

Das Leiden der Rohingya in Bangladesch

Eine Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats soll feststellen, inwiefern es im nordwestlichen Rakhine-Staat zu Gräueltaten an der muslimischen Minderheit der Rohingya durch die Sicherheitskräfte kommt. Es gehe darum, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Seit Oktober 2016 schlagen Menschenrechtsgruppen und das UN-Flüchtlingshilfswerk Alarm. Mehrere hundert aufständische Muslime überfielen damals Posten der myanmarischen Grenzpolizei (BGP), töten nach Angaben der Behörden neun Polizisten, entwendeten mehrere Dutzend Feuerwaffen und Munition. Die gewaltbereite Gruppe Harakah al-Yaqin, die von nach Saudi-Arabien emigrierten Rohingya geführt wird, wird für die Angriffe verantwortlich gemacht, wie die International Crisis Group in einem Bericht bestätigt.

Die Sicherheitskräfte, bestehend aus BGP und dem myanmarischen Militär, antworteten mit sogenannten "area clearing operations", um gegen die Aufständischen vorzugehen. Bei diesen Einsätzen kommt es nach Angaben von Aktivisten und der UN zu willkürlichen Tötungen, systematischen Vergewaltigungen, dem Niederbrennen von Häusern und Vertreibungen. Nach Angaben der UN sind etwa 74.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflüchtet. Regierung und Militär aus Myanmar bestreiten die Vorwürfe.

Zerstörter und abgebrannter Marktplatz im Rakhine-Staat (Foto: Reuters/Soe Zeya Tun)
Dieser Marktplatz im Rakhine-Staat wurde im Oktober bei Operationen der Sicherheitskräfte zerstört Bild: Reuters/Soe Zeya Tun

Myanmars Regierung gegen "Einmischung"

Drei Tage nachdem der UN-Menschenrechtsrat die Einsetzung einer Untersuchungskommission beschloss, äußerte sich Armeechef Min Aung Hlaing im Rahmen der Parade zum Tag der Armee. Er rechtfertigte das Vorgehen der Sicherheitskräfte erneut und wiederholte die offizielle Linie der Regierung, dass es sich bei den Rohingya nicht um Staatsbürger, sondern um illegale Migranten handele.

Die zivile Regierung unter der Führung von Aung San Suu Kyi kritisierte die Entscheidung des UN-Menschenrechtsrats ebenfalls. Eine derartige Untersuchung werde den Konflikt weiter anheizen. Auch Aung San Suu Kyis Regierung bleibt damit ihrem bisherigen Standpunkt treu. Die Friedensnobelpreisträgerin bezieht in der Sache keine Stellung und fordert Menschenrechtsgruppen und andere externe Akteure dazu auf, die Situation nicht noch komplizierter zu machen. 

Einwohner des Rakhine-Staats protestieren gegen ausländische Einmischung  (Foto: DW/V. Hölzl)
Einwohner des Rakhine-Staats protestieren gegen ausländische Einmischung Bild: DW/V. Hölzl

Anti-muslimischer Konsens 

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, wie verfahren der Konflikt im Rakhine-Staat ist. Die Rohingya misstrauen dem Militär, den buddhistischen Arakanesen, die die Mehrheitsbevölkerung im Rakhine-Staat ausmachen, und der Zentralregierung, die noch nie etwas für sie getan hat. Die Arakanesen fürchten, in ihrer Heimat zu einer Minderheit zu werden, und sind überzeugt, dass ihre Kultur und ihr Glaube von den Rohingya bedroht sind. Das Militär wiederum hält die Rohingya für illegale Einwanderer, gegen die mit Härte vorzugehen sei.

Nicht zuletzt zeigt die Krise im Rakhine-Staat die Grenzen der Macht von Aung San Suu Kyi und ihrer Partei auf. Die Nationalen Liga für Demokratie (NLD) regiert Myanmar seit 2016. Die Vorstellung, dass ein Machtwort von Aung San Suu Kyi die Lage im Handstreich befrieden könnte, ist realitätsfern.

Ihr und ihrer Partei stehen die buddhistischen Nationalisten im Rakhine-Staat entgegen. Im Parlament dieses Rakhine-Staates dominiert die Arakan National Party (ANP) und nicht die NLD, die bei den Wahlen 2015 nur neun von insgesamt 35 Wahlkreisen für sich entscheiden konnte. Die ANP setzt sich unter anderem dafür ein, dass die Rohingya, die sie "Bengalis" nennen, um anzuzeigen, dass es sich um illegale Einwanderer aus Bangladesch handle, nicht die Staatsbürgerschaft erhalten.

Verstärkt wird die Haltung durch die in ganz Myanmar verbreiteten starken anti-muslimischen Ressentiments. Diese werden von nationalistischen Mönchen und ihren Organisationen wie "Ma Ba Tha" oder "969-Bewegung" geschürt. Die Rohingya beziehungsweise die Muslime bedrohten nach deren Ansicht den Buddhismus und würden Myanmar überfremden. Die Hetze verfängt bei weiten Teilen der buddhistischen Bevölkerung. Sich auf die Seite der Muslime zu stellen, heißt also zugleich, sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung zu stellen.

Karte Myanmar, Rakhine State (Infografik: DW)
Rakhine-Staat, "Heimat" der muslimischen Minderheit Myanmars

Militär hat das letzte Wort

Schließlich wird die Grenzregion des Rakhine-Staates seit Jahrzehnten vom Militär mitverwaltet. Das wurde in der von der Junta implementierte Verfassung von 2008 festgeschrieben, nach der nicht nur ein Viertel aller Sitze in allen regionalen und Landes-Parlamenten vom Chef des Militärs bestimmt werden, sondern auch die Minister für Verteidigung, Inneres und Grenzangelegenheiten. In Myanmar gibt es folglich keine zivile Kontrolle des Militärs. Wenn der Armeechef Min Aung Hlaing das Vorgehen der Sicherheitskräfte für angemessen hält, sind Aung San Suu Kyi die Hände gebunden, es sei denn, sie riskiert den offenen Konflikt mit dem Militär. Das aber könnte den seit 2011 laufenden Öffnungsprozess gefährden.

Aung San Suu Kyi (Foto: picture-alliance/AP Photo/W. Maye-E)
Aung San Suu Kyi kann oder will in der Rohingya-Frage nicht aktiv werdenBild: picture-alliance/AP Photo/W. Maye-E

Kein Raum für Kompromisse

In dieser Gemengelage gibt keinen gemeinsamen Nenner, auf den sich die Konfliktparteien einigen und der als Ausgangspunkt für Verhandlungen dienen könnte. Alles, was die jeweils andere Partei vorbringt, wird als Propaganda und Lüge gesehen. Das zeigt die von Aung San Suu Kyi ins Leben gerufene Beratungskommission zur Lösung der Rohingya-Problematik unter Vorsitz des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Viele Arakanesen lehnen die Kommission ab, da sie von einem Ausländer geleitet wird. Sie glauben nicht, dass dieser versteht, was tatsächlich vor sich geht und fürchten, dass ihre Interessen nicht genügend berücksichtigt werden. Bei seinem ersten Besuch in Sittwe, der Hauptstadt des Rakhine-Staates Anfang Dezember 2016, wurde Anan mit Pfiffen empfangen.

Der wiederum im Januar von der Regierung veröffentlichte vorläufige Bericht einer Kommission unter Leitung des Vizepräsidenten (eines Militärs), in dem das korrekte Verhalten der Ordnungskräfte bestätigt wird, wird von Rohingya-Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen als falsch beurteilt. Der Bericht sei politisch motiviert und diene nur dem Zweck, dem internationalen Druck zu widerstehen, so Human Rights Watch.

Selbst wenn die Regierung in Myanmar Beobachtern und Journalisten den Zugang zur Region ermöglichen würde, was momentan unter Hinweis auf die schwierige Sicherheitslage nicht gestattet wird, oder wenn die vom UN-Menschenrechtsrat ins Spiel gebrachte Kommission ihre Arbeit aufnähme, muss den Beteiligten klar sein, dass sie nicht als neutrale Beobachter, sondern immer als parteiischer Teil im Konflikt wahrgenommen würden.

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia