US-Lauschangriff
19. Januar 2007Die Ankündigung kam überraschend: Am Mittwoch (17.1.2007) teilte US-Justizminister Alberto Gonzalez in einem Brief an den Kongress mit, dass die US-Regierung ihre Meinung in Bezug auf die Abhöraktionen des Inlandsgeheimdienstes NSA geändert hat. Ab sofort werde man sich dafür wieder die Genehmigung des dafür zuständigen Sondergerichts holen, schrieb Gonzalez. Bis dahin hatte sich die Regierung über die Kompetenz des Gerichts hinweggesetzt und Millionen von Telefonaten und Emails von US-Bürgern mit dem Ausland kontrolliert.
Am Donnerstag musste sich Gonzalez für die jahrelange Überwachungspraxis vor dem Justizausschuss des Senates rechtfertigen. Die Senatoren wollten vor allem wissen, warum die US-Regierung so plötzlich ihre Meinung geändert hat. Schließlich hatte der Präsident jahrelang behauptet, eine richterliche Anordnung für die Abhöraktion sei nicht notwendig. Alle 45 Tage hatte George W. Bush seine Anweisung verlängert. Nun soll sie auslaufen.
Die "New York Times" hatte den geheimen Lauschangriff im Dezember 2005 ans Licht gebracht. Die Reporter hatten herausgefunden, dass der Präsident kurz nach dem 11. September 2001 den Nationalen Geheimdienst NSA angewiesen hatte, alle Telefongespräche und den Internetverkehr der US-Bürger mit dem Ausland abzuhören: eine Maßnahme im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
"Alles gesetzmäßig"
Das US-Gericht, das 1978 eigens dafür eingerichtet worden war, solche Aktionen zu genehmigen, sollte die NSA ignorieren. Das sei, so Gonzalez' Begründung vor dem Ausschuss, das gute Recht des Präsidenten: "Er weiß, dass das Amt des Präsidenten gewisse Machtbefugnisse umfasst, die man nur nutzt, wenn es keine Alternative gibt", so Gonzalez, "aber nun ist das nicht mehr nötig."
Damit erklärte der Justizminister die Tatsache, dass sich die Regierung im Frühjahr 2005 nach mehr als drei Jahren dazu entschlossen hatte, das Sondergericht erstmals anzurufen. Der Justizminister betonte jedoch: "Ich glaube, dass die Maßnahmen, die der Präsident und die Regierung ergriffen haben, gesetzmäßig waren."
Nachdem jetzt zum ersten Mal Genehmigungen des Sondergerichts vorliegen - das Verfahren hat also über ein Jahr gedauert - soll ab sofort das Sondergericht in allen Fällen eingeschaltet werden. Die Senatoren begrüßten die Kehrtwendung, aber viele Fragen bleiben offen: Wenn die Regierung nach wie vor der Ansicht ist, rechtmäßig gehandelt zu haben, könnte sie dann bei einem negativen Bescheid nicht wieder in die alte Verfahrensweise zurückfallen.
Alles schwammig
Gonzalez wich den Fragen immer wieder aus, verweigerte Details mit dem Hinweis auf die Nationale Sicherheit. Ein schnelles Handeln sei damals notwendig gewesen, erklärte er, und die Anrufung des Gerichts hätte die notwendigen Nachforschungen zu sehr verzögert.
Unklar bleibt auch, wie genau die Anträge aussehen, für die der Geheimdienst jetzt das Okay des Gerichts bekommen hat - und wie sie in Zukunft aussehen. Das Gesetz erfordert eigentlich Einzelfallentscheidungen und keine Generalvollmacht. Ein Gericht in Detroit hatte das Abhörprogramm der NSA als verfassungswidrig angesehen, das Berufungsverfahren läuft. Ob es sich mit der jetzigen Kehrtwendung von selbst erledigt, wird sich zeigen.