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Der Dr. Oetker Ostdeutschlands

22. Dezember 2009

Vor rund 60 Jahren wurde der Grundstein für das Familienunternehmen Kathi aus Halle an der Saale gelegt. Es folgten Enteignung zu DDR-Zeiten und eine mühevolle Reprivatisierung nach dem Mauerfall.

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Backmischungen im Angebot mit zwei Nikoläusen (Foto: DW)
Backmischungen speziell zur WeihnachtszeitBild: DW

Apfel-Wein-Amerikaner, Banana-Split-Muffins, Mandarinen-Kokus-Kuchen, Husarenkrapfen - kaum hat man den Eingang des Familienunternehmens im Gewerbegebiet von Halle an der Saale betreten, können die süßen Träume beginnen. Bunte Kathi-Packungen preisen sich in den Regalen an. Es ist Vorweihnachtszeit, und deshalb fehlen auch die großen Papp-Nikoläuse nicht.

Not macht erfinderisch

Die Porträts der Gründer: Käthe und Kurt Thiele (Foto: DW)
Die Firmengründer: Käthe und Kurt ThieleBild: DW

Fangen wir die Kathi-Geschichte so an, wie viele Geschichten beginnen: Es war einmal in Halle an der Saale... Die Menschen waren nach dem Zweiten Weltkrieg ausgehungert. "Wenn Sie einen ganz einfachen Sand- oder Rührkuchen backen wollten, gab es Mehl, aber keinen Zucker. Gab es Zucker, gab es keine Aromen, gab es Aromen, gab es keine Stärke", erzählt Seniorchef Rainer Thiele. Aus dieser Not heraus sei seiner Mutter der Gedanke gekommen: "Es muss uns doch gelingen, die wichtigsten Zutaten für einen Rühr- oder Sandkuchen in eine Tüte zu kriegen." Das war 1949 und die Geburtsstunde der Kathi-Backmischungen.

Da hatte Käthe Thiele bereits ein Rezept für eine Brotaufstrichpaste entwickelt, die mit Leberwurst und würzigen Zutaten verlängert wurde. Dann folgten Kuchen, Kloßmehle, kochfertige Suppen und Soßen. Und damit legte Käthe Thiele zusammen mit ihrem Mann Kurt den Grundstein für das Familienunternehmen. Das blickt mittlerweile auf eine sehr wechselvolle Geschichte zurück. Zu Zeiten des Sozialismus, also während die DDR noch existierte, wurden die Geschäfte der privaten Unternehmen erschwert, Wettbewerb gab es nicht, Eigeninitiative war unerwünscht: "Wir expandierten zu stark, das passte nicht in das sozialistische Schaubild", berichtet Rainer Thiele.

Erst Enteignung, dann Re-Privatisierung

Marco (l.) und Rainer (r.) Thiele, Junior- und Seniorchef der Firma Kathi (Foto: DW)
Marco und Rainer Thiele führen heute das FamilienunternehmenBild: DW

Zunächst mussten die Eltern von drei Produktionsgruppen auf eine verkleinern. Sie entschieden sich dafür, die Backmischungen beizubehalten. Das, so Rainer Thiele, sei aus heutiger Sicht betrachtet, wohl auch die richtige Entscheidung gewesen. Dann, im Frühjahr 1972 sei das Familienunternehmen enteignet worden. Rainer Thiele hat viele Höhen und Tiefen seines Unternehmens miterlebt. Aber Kathi überlebte auch den Sozialismus, die Enteignung und den langen, mühevollen Weg durch die Behörden hin zur Re-Privatisierung. Der Name "Kathi" übrigens ist auf den Vornamen der Mutter, Käthe Thiele, zurückzuführen.

Die Backmischungen entstehen computergesteuert

Labormitarbeiterin am Computer (Foto: DW)
Per Computer zur perfekten MischungBild: DW

Bei Kathi läuft heute alles automatisch und computergesteuert ab. Von den einzelnen Backzutaten ist in der Produktionshalle nichts zu sehen. Lediglich ein Geruch von Zitrone und Schokolade wie auf einem Weihnachtsmarkt liegt in der Luft. Ein Röhrensystem befördert per Druckluft Mehl, Zucker, Aromen und Stärke. Es wird gemischt und gepresst. Das Herzstück des Betriebes ist aber die Computerstation. Schnell ist dort zu sehen, ob Vollmilchpulver wieder aufgefüllt werden muss oder welche Gewürzmischung zu Ende geht. Es gibt eine komplette Übersicht über alle Silos.

Kathi ist Marktführer in den neuen Bundesländern. Wieder. Denn nach der deutschen Wiedervereinigung wurden zunächst einmal alle ostdeutschen Produkte aus den Regalen geräumt - gefragt waren Westprodukte. Das habe sich geändert, sagt Marco Thiele, der Juniorchef: "Man unterstützt auch hier die Industrie und sichert Arbeitsplätze, indem man diese Produkte kauft. Aber das ist nicht der ausschlaggebende Punkt. Ich denke, es kommt auf die Qualität an."

Go West - der Weg ist eingeschlagen

Backmischung für eine Marzipan Mohn Torte (Foto: DW)
Mit Marzipan und vielem mehr...Bild: Kathi

Langsam, aber allmählich kämpft sich Kathi auch nach Westen vor. In einigen Lebensmittelmärkten in den alten Bundesländern seien die Backmischungen aus Halle zu finden. "Da wir immer noch ein rein ostdeutsches Familienunternehmen ohne irgend eine westliche Beteiligung sind, fehlen uns natürlich noch die finanziellen Mittel, um richtig zu powern, um ins Fernsehen zu gehen oder eine riesige Printkampagne zu schalten", sagt Marco Thiele.

Daher wende sich Kathi direkt an die Verbraucher. Auf Märkten und Messen ist die Familie auch persönlich präsent, die Thieles gehen raus, sprechen mit den Vertretern der Handelsketten und mit Verbrauchern. 90 Mitarbeiter hat Kathi heute. In der Lehrlingsausbildung ist der Betrieb vorbildlich und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Und in Familienhand soll Kathi auch in Zukunft bleiben. Rainer Thiele hat die Nachfolge bereits geregelt. Geschäftsführer ist Sohn Marco, während der zweite Sohn Thomas die technische Seite des Unternehmens verantwortet.

Autorin: Monika Lohmüller

Redaktion: Julia Elvers-Guyot