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Karsten Voigt: Was Putin nicht erwähnt

Vera Tellmann12. Januar 2016

Der ehemalige SPD-Außenpolitiker Karsten Voigt bestätigte Aussagen von Egon Bahr in Moskau 1990 bezüglich einer NATO-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschland. Wladimir Putin hatte Bahr in einem BILD-Interview zitiert.

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Karsten Voigt DW TV Archiv 2013
Karsten VoigtBild: DW

Voigt sagte im Interview der Deutschen Welle: „Interessant ist, was Putin nicht erwähnt.“ Andere Gesprächspartner in Moskau, vor allem der damalige Außenminister Schewardnadse, hätten Bahrs Einschätzung nicht geteilt.

Putin hatte aus bisher unveröffentlichten Gesprächen westdeutscher Politiker mit sowjetischen Vertretern zitiert. Egon Bahr soll sich im Januar 1990 für eine neue Union in Mitteleuropa ausgesprochen haben, der die UdSSR und die USA angehören sollten, und gegen eine NATO-Erweiterung. Voigt, der bei dem Gespräch Bahrs mit Zentralkomitee-Vertreter Valentin Falin zugegen war, bestätigte im DW-Interview: „Putin zitiert korrekt.“

Allerdings habe es in den Tagen auch „Gespräche mit dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse, dem für internationale Politik zuständigen Mitglied des Politbüros Alexander Jakowlew und dem Marschall der Sowjetunion Achromejew“ gegeben. In all diesen Gesprächen habe Bahr seine Vorstellungen ebenfalls vorgetragen. Voigt: „Das Interessante ist, dass keiner der sowjetischen Gesprächspartner, außer Falin, auf diese Vorstellung von Egon Bahr eingegangen ist. Für mich war das damals ein Zeichen dafür, dass in der sowjetischen Führung keine unüberwindbare Festlegung gegen eine Mitgliedschaft des vereinigten Deutschland in der NATO bestand.“

Die Ost-Erweiterung der NATO sei ein anderes Thema, so Voigt. „Ich war dafür, allerdings verbunden mit einer engen Kooperation mit der Sowjetunion und später mit Russland.“ Er halte auch im Nachhinein die Aufnahme Polens und anderer Länder des ehemaligen Ostblocks für richtig. Voigt sagte, diese Politik trage zur Stabilität in Europa bei, „wenn es gleichzeitig gelingt, mit Russland – soweit das auf Grund der heutigen russischen Politik möglich ist – ein kooperatives Verhältnis herzustellen. Die gegenwärtige russische Außenpolitik erschwert eine kooperative Politik außerordentlich, aber das bedeutet nicht, dass man sich nicht darum bemühen sollte.“

Angesprochen auf Russlands Streben nach einer neuen Weltordnung sagte der SPD-Politiker: „Das Problem für Russland ist, dass die meisten seiner europäischen Nachbarn, vor allem seine kleineren westlichen Nachbarn, heute aus Sorge und Angst vor der russischen Politik immer mehr Zuflucht bei der EU, der NATO und den USA suchen. Ihr Streben nach Schutz durch den Westen ist nicht das Ergebnis einer gegen Russland gerichteten amerikanischen Verschwörung. Ihr Streben nach Westen ist vielmehr eine Reaktion auf die russische Politik – sondern vielmehr eine Reaktion auf die russische Politik. Die verständlichen Sorgen von Russlands westlichen und unseren östlichen Nachbarn beschweren und belasten auch unsere Politik gegenüber Russland“, so Voigt im deutschen Auslandssender.