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Karlsruhe stärkt Bundesregierung

Heinz Dylong26. März 2003

Auch ohne Bundestags-Beschluss können die deutschen Soldaten an Bord der AWACS-Aufklärungsflugzeuge über der Türkei bleiben. Heinz Dylong kommentiert

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Die Bundesregierung kann sich bestätigt fühlen. Die Karlsruher Richter betonten in ihrer Entscheidung das besondere Gewicht der "uneingeschränkten außenpolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesregierung" und ihre internationale Verlässlichkeit". Damit ist der Versuch der FDP misslungen, die Bundesregierung einer innenpolitischen Zerreißprobe auszusetzen. Denn jenseits aller Beschwörungsformeln, nach denen die deutschen Soldaten an Bord der AWACS-Aufklärungsflugzeuge über der Türkei "Rechtssicherheit" für ihr Tun bräuchten, ging es der FDP um
etwas anderes: Dass ein entsprechender Antrag im Bundestag - mit der für diesen Fall angekündigten Zustimmung beider Oppositionsfraktionen - eine breite Mehrheit finden würde, stand nie in Frage. Aber es sollte vorgeführt werden, ob SPD und Grüne eine eigene Mehrheit erreichen würden. Und daran durfte man angesichts mancher Stimmen aus dem Regierungslager berechtigte Zweifel haben. Die politische Beschädigung von Kanzler und Außenminister wäre unübersehbar, der Zusammenhalt der rot-grünen Koalition wäre gefährdet. Ein ziemlich durchsichtiges Interesse, das eben die vom Verfassungsgericht betonte "uneingeschränkte außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung" beeinträchtigt hätte.

Dieses Prinzip kann und darf freilich kein außenpolitischer
Blankoscheck für die Bundesregierung sein. Gerade was
Auslandseinsätze der Bundeswehr anbelangt, ist ein Entsendegesetz - das in diesen Fällen die Kompetenzen von Regierung und Parlament regelt - dringend nötig. Gleichwohl, der Irak-Krieg und seine Ablehnung durch die Bundesregierung mitsamt den gestörten deutsch-amerikanischen Beziehungen erfordern von Berlin einen echten Drahtseilakt. Und dabei liegt auf der Hand, dass sich Außenpolitik und Innenpolitik nie wie auf einem Seziertisch trennen lassen. Gerade in demokratischen Staaten sind die gegenseitigen Abhängigkeiten beider Felder unübersehbar. Politologie-Studenten lernen schon im ersten Semester, dass die Außenpolitik im wesentlichen eine Funktion der Innenpolitik ist.

Wenn die Bundesregierung also den Irak-Krieg - in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Bevölkerung - ablehnt, ist sie vernünftigerweise dennoch gehalten, die Türen für die Verbesserung der Beziehungen zu den USA nicht zuzuwerfen. Deshalb drücken sich Regierungsmitglieder um die völkerrechtliche Bewertung des Irak-Krieges, deshalb wäre der Abzug deutscher Soldaten aus den AWACS-Maschinen oder auch der deutschen Fuchs-Spürpanzer aus Kuwait ein mittelfristiges politisches Problem. Die USA würden dies als zusätzliche Belastung der Beziehungen zu Deutschland begreifen. Die "außenpolitische Handlungsfähigkeit" der Bundesregierung muss eben auch Raum für Pragmatismus lassen. Und solange der nicht zum beherrschenden Prinzip wird, solange er der richtigen Grundsatzentscheidung gegen den Irak-Krieg untergeordnet ist und von der Mehrheit des Parlaments gebilligt wird - solange wird auch eine kritische Öffentlichkeit damit leben können.