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Kampf um Korrespondenten-Posten des Ungarischen Rundfunks in Berlin

6. August 2003
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Budapest, 6.8.2003, PESTER LLOYD, deutsch

Der öffentlich-rechtliche ungarische Rundfunk hat einen seiner wichtigsten Auslandsposten in Berlin. Aufgrund einer Kontroverse um die Ernennung des neuen Korrespondenten wurde nun erwogen, diesen zu schließen. Der Fall ist auch deshalb interessant, weil er Einblicke in die verbitterten politischen Kämpfe in und um die staatlichen Medien bietet.

Die Angelegenheit wurde von einem bekannten Publizisten der radikalen Rechten in der Oppositionszeitung "Magyar Nemzet" zur Sprache gebracht. Dieser sagte, dass die Linksliberalen auf den Berliner Posten bestünden und mit Drohungen den Rücktritt der für Berlin auserkorenen, andersdenkenden Kollegen erreichten. Letztere Aussage stimmt. László Kanyó, einst Rundfunkjournalist und später Pressechef bei Porsche-Hungaria und anderen Unternehmen, trat ebenso zurück wie Eszter Baraczka, eine Redakteurin des Staatsfernsehens, die zu der konservativen Seite gezählt wird. Der bekannte Rundfunkjournalist József Barát bestreitet nicht, dass diese in Folge eines mit ihm geführten Gesprächs zu ihrem Entschluss gelangten.

Barát, Geschäftsträger der Gewerkschaft vieler Rundfunkjournalisten, machte ihnen nämlich deutlich, dass sie diesen Posten zwar bekommen könnten, jedoch erst nach Abschluss eines Gerichtsverfahrens: Denn die Gewerkschaft bemängelte, dass der Korrespondentenposten nur außerhalb der außenpolitischen Redaktion ausgeschrieben wurde und die zuständigen Kollegen über die geplante Änderung erst erfuhren, als der Nachfolger bereits bestimmt war. So hatten weder der gegenwärtige Berichterstatter, der gerne noch geblieben wäre, noch ein anderer Korrespondent, der in der Vergangenheit in Berlin gearbeitet hatte, die Möglichkeit, sich zu bewerben. Darüber hinaus konnte keiner der Bewerber von außen die notwendige Rundfunkpraxis vorweisen. Wie auch immer – die Führung des Rundfunks reagierte empört und gab bekannt, dass unter solchen Umständen der Berliner Posten eingestellt werden könnte. Dies wiederum löste angeblich auch Besorgnis bei den zuständigen deutschen Stellen aus.

Gegen Barát wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er wird beschuldigt, die beiden Kandidaten beeinflusst, zum Rücktritt bewogen und dadurch dem Prestige der Rundfunkanstalt geschadet zu haben. Wer, wann und ob überhaupt nun jemand die Millionen Rundfunkhörer mit Nachrichten aus einer der für Ungarn wichtigsten Hauptstädte versorgen wird, steht offen.

Den Hintergrund zu dieser bizarren Affäre bildet die Vorgeschichte: Unter den früheren konservativen Regierungen wurden viele der besten Rundfunkjournalisten, die alle schon vor der Wende bei dem Sender arbeiteten, entlassen oder zur Kündigung bewogen. Premier Viktor Orbán setzte zwar ebenfalls eine Dame aus der alten Garde an die Spitze der Anstalt, jedoch eine, die ihm zuvor treu diente. Diese versucht nun, auch die verbliebenen wichtigen Positionen mit ähnlich gesinnten Personen zu besetzen, wobei die politische Orientierung klar vor der fachlichen Qualifikation steht. Auch wenn oft und viel über das Vorbild BBC gesprochen wird, sind wirklich unabhängige öffentlich-rechtliche Medien in Ungarn auch mittelfristig nicht vorstellbar – haben doch die Parteien – links ebenso wie rechts – ihre (vermutlichen) "Rechte" längst abgesichert. An der Spitze stehen mal die Vertreter der einen, mal die der anderen Seite. Wie auch bei der Rundfunkbehörde, die diesen beschämenden Zirkus eigentlich überwachen und regeln sollte.

Jährliche Budgetgelder in Milliardenhöhe bringen stets schwächere Programme in Rundfunk und Fernsehen, während zweifelhafte Figuren der jeweiligen Herrschenden ihre Taschen füllen. Ein teures Trauerspiel. Aber vielleicht wird der neue Korrespondent in Berlin ja auch mal darüber berichten, wie dieselben Aufgaben bei ARD, ZDF, 3SAT oder Arte wahrgenommen werden... (fp)