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Kaderschmiede für Migrantenkinder

Aygül Cizmecioglu6. Juni 2006

Jugendliche mit Migrationshintergrund haben es im deutschen Bildungssystem schwer. Dies zu ändern, hat sich eine kleine Hochschule zum Ziel gesetzt: die OTA in Berlin.

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Die OTA in BerlinBild: OTA

Helle Gänge, Pflanzen auf den Fensterbänken, Tageszeitungen und Magazine griffbereit am Eingang. Junge Leute mit Laptops unter den Armen schwirren durch das zweistöckige Gebäude. Statt maroder Hörsäle - wie in vielen großen Universitäten - gibt es Seminarräume mit Internetanschluss. Die Studenten lernen in kleinen Arbeitsgruppen und nicht in überfüllten Hauptseminaren. Studieren ist an der OTA ein Fulltime-Job. Von neun Uhr morgens bis fünf Uhr abends paukt man hier Marktmodelle und Wirtschaftstheorien.

Fatih Aslan ist einer von rund 100 Studenten der OTA - wie viele von ihnen türkischstämmig. Er studiert BWL und plant in knapp einem Jahr seinen Bachelor-Abschluss zu machen. Kostenpunkt - 600 Euro im Monat. Doch Fatih Aslan ist eine exzellente Ausbildung viel wert.

Gegenentwurf zum staatlichen Hochschulbetrieb

Praxisnähe wird an der OTA großgeschrieben. Die meisten Dozenten kommen aus der Wirtschaft und können neben der trockenen Theorie auch erste Einblicke in die Arbeitswelt vermitteln. Denn mehrmonatige Betriebspraktika sind Pflicht an der OTA. Einen Gegenentwurf zum staatlichen Hochschulbetrieb wollte Erman Tanyildiz mit der OTA liefern.

Der rüstige Herr mit den schlohweißen Haaren kam in den 70er Jahren zum Studium nach Deutschland. Anschließend baute er sich ein kleines Imperium auf, war jahrzehntelang erfolgreicher Geschäftsmann. Bis ihn ein schwerer Unfall in eine Sinnkrise stürzte. Erman Tanyildiz beschloss fortan, den größten Teil seines Vermögens in Bildung zu investieren. Eine Stiftung wurde gegründet, aus der 2002 die OTA-Hochschule hervorging.

Erman Tanyildiz hört es nicht gern, wenn man die OTA als eine "türkische Uni" bezeichnet. Eine weltoffene Kaderschmiede wolle man sein. Und jenen eine Chance bieten, die sonst im Bildungswettlauf auf der Strecke bleiben. Für ihn ist die Bildungsmisere unter den Migrantenkindern ein Zeichen jahrzehntelanger Ignoranz in Sachen Integrationspolitik.

Bikulturelle soft skills als Zukunftskapital

Für Erman Tanyildiz liegt in der Sprache der Schlüssel zum Erfolg. Deutschkurse schon im Vorschulalter hält er für notwendig. Ebenso wie die stärkere Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. Wenn schon im frühen Kindesalter entschieden wird, dass ein Kind auf die Hauptschule, die niedrigste weiterführende Schule in Deutschland, gehen muss, würden oftmals schon die Weichen in die falsche Richtung stellen, glaubt er. Ein Teufelskreis aus Ghettoisierung und miserablen Ausbildungschancen sei die Folge.

Dabei sieht Erman Tanyildiz gerade bei den Migrantenkindern ein enormes Potential. Zweisprachigkeit, bikulturelle soft skills - an der OTA gelten sie als Zukunftskapital, und nicht als Defizit. "Wir bauen ein bisschen schon den türkischen EU-Beitritt vor. Schon jetzt gibt es eine rege wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Europa. Und da brauchen wir genau diese topausgebildeten Fachkräfte, die sich in mehreren Kulturen und Sprachen auskennen und verankert sind."